• 8000 1 Header
  • 8000 2 Header
  • 8000 3 Header
  • 04 8000 Header 2023

Beitragsseiten

Dhaulagiri (8167 m) Tagebuch 2003

09. April 2003

Flug von München nach Doha

Der Linienflug geht von München mit einer Zwischenlandung in Mailand nach Doha. Hier müssen wir eine Nacht in einem Hotel verbringen.

10. April 2003

Flug von Doha nach Kathmandu

Bereits um 6:00 Uhr werden wir geweckt und anschließend mit dem Bus zum Flughafen gebracht. Für 8:00 Uhr ist der Abflug geplant, wegen technischer Probleme findet der Start jedoch erst um 13:00 Uhr statt. Entsprechend spät landen wir in Kathmandu. Bis wir die notwendigen Formalitäten für das Visa erledigt haben und wir die Flughafenhalle verlassen können, ist es bereits dunkel. Wir sind im Hotel Shangrila, unweit des Präsidentenpalastes, untergebracht.

11. April 2003

Aufenthalt in Kathmandu

Dieser Tag steht zur freien Verfügung. Zuerst muss ich jedoch meine Ausrüstung, welche ich in Kathmandu zwischengelagert habe, nochmals überprüfen. Am Nachmittag erledige ich dann noch ein paar Besorgungen in Thamel. Somit bleibt mir leider nicht die notwendige Zeit, um die reichhaltigen Sehenswürdigkeiten im Kathmandu - Tal zu besichtigen.

12. April 2003

Busfahrt von Kathmandu nach Beni

Am frühen Morgen verlassen wir Kathmandu mit dem Bus in westliche Richtung. Am Morgen ist es bereits sehr warm und so quälen wir uns Stück für Stück in den nicht klimatisierten Bus zu unserem heutigen Tagesziel.
Bis Baglung ist die Straße mehr oder weniger gut. Vor hier geht es dann über eine unbefestigte Straße bis nach Beni (830 m). Als wir dort eintreffen ist es bereits dunkel. Wir beziehen unser Quartier für die kommende Nacht in einem kleinen Hotel.

13. April 2003

Trekking von Beni nach Tatopani

Am Morgen müssen zuerst die Lasten auf die Träger verteilt werden und so starten wir erst um 8:30 Uhr. Der Weg führt heute entlang der staubigen Straße, auf der die Jeeps uns in regelmäßigen Abständen in eine Staubwolke einhüllen. Trotzdem ist die heutige Etappe ideal, um sich für die kommenden Trekking Tage einzustimmen.
Tatopani heißt „Heißes Wasser" und so sind in diesem Ort heiße Quellen, zu welchen die Nepalesen mit kleinen Bussen oder mit Jeeps anreisen. In der kleinen Badeanstalt vor dem Ort ist dann auch ein richtiger Andrang von den Badegästen.

14. April 2003

Trekking von Tatopani nach Dharapani (1500 m)

Zuerst geht es entlang der Fahrstrasse bis Babiyachaur, wo dann auch die Strasse endet. In Darbang überqueren wir den Myagdi Khola über eine schöne Hängebrücke. Kurz darauf geht es dann im Zick -Zack steil nach oben um dann schließlich zu der Ortschaft Dharapani zu gelangen. Die Ortschaft befindet sich inmitten von schönen Terrassenfeldern. Ab jetzt stellt sich das tägliche Nachmittagsgewitter ein, aber wir haben Glück und bekommen heute keinen Regen.

15. April 2003

Trekking von Dharapani nach Muri (1850 m)

Heute haben wir eine schöne Sicht auf den Dhaulagiri und die vorgelagerten Bergketten.
Wir kommen durch mehrere kleine Ortschaften und nach einer Gehzeit von 5 Stunden erreichen wir die Ortschaft Muri. Der Zeltplatz befindet sich etwas oberhalb der Ortschaft und bietet eine grandiose Aussicht. Die gesamte Dorfjugend versammelt sich am Nachmittag bei unseren Zelten. Unsere Nachtruhe wird durch das Bellen der unzähligen Hunde des Öfteren gestört.

16. April 2003

Trekking von Muri nach Boghara (2080 m)

Am Morgen zieht hohe Schichtbewölkung auf und deutet auf einen bevorstehenden Wetterumschwung hin.
Zuerst geht es hinunter auf 1600 m um dann über eine Hängebrücke den Muri Khola zu überqueren. Nach einem erneuten Auf und Ab kommen wir durch einen Regenwald und anschleifend auf einen Höhenweg.
Bei der Ortschaft Naura Bhir führt dann der Weg plötzlich steil nach oben. Der Weg wird immer steiler und wir sind uns unsicher, ob wir überhaupt den richtigen Weg gewählt haben. Aber entlang des tief unter uns fliesenden Flusses können wir keinen anderen Weg erkennen. Dann tauchen vor uns unten doch die ersten Häuser auf und wir erkennen, dass es sich dabei um die Ortschaft Boghara handelt, unserem heutigen Tagesziel. Kaum sind wir in der Ortschaft angekommen, beginnt es kräftig zu regnen und wir müssen die Zelte in einer Regenpause aufstellen. Zum ersten Mal wird es am Abend empfindlich kalt.

17. April 2003

Trekking von Boghara nach Dobang (2520 m)

Das Wetter ist wieder schön und selbst die hohen Gipfel sind wolkenfrei. Zuerst geht es wieder hinunter zum Myadi Khola und dann entlang eines Höhenweges hinein in den Regenwald. Hier kommen wir an eine sehr ausgesetzte Passage im Felsen wo hoch über uns riesige Honigwaben am überhängenden Felsed sich befinden.
Im Regenwald selbst war die Wegefindung nicht immer einfach und wir mussten gut aufpassen, dass wir den Weg nicht plötzlich verlieren. Bei Dobang handelt es sich um zwei Hütten in einer Waldlichtung. Dieser Lagerplatz ist jedoch wunder schön.

18. April 2003

Trekking von Dobang nach Choriban (3110 m)

Die heutige Etappe führt wieder durch den Regenwald über zum Teil sehr ausgesetzte Wege. Glücklicherweise ist der Boden heute trocken. Bei Nässe ist diese Etappe für die Träger ausgesprochen gefährlich. Auch der heutige Lagerplatz ist auf einer kleinen Waldlichtung nahe dem Fluss. Das Rauschen des Wassers begleitet uns durch die Nacht.

19. April 2003

Trekking von Choriban nach Italien Base Camp (3690 m)

Wieder sind wir im Regenwald und erst kurz vor dem Italien Base Camp lichtet sich der Wald und wir kommen auf eine Hochfläche mit einer Hütte. Das ist nun die letzte Behausung vor dem Basislager.
Am Nachmittag steigen die meisten Teilnehmer noch auf die umliegenden Anhöhen, um sich an die Höhe zu gewöhnen. Die kommende Nacht ist durch die lauten Träger sehr unruhig.

TOP


20. April 2003

Ruhetag im Italian Base Camp (3690 m)

Der heutige Tag dient zur Akklimatisation an die Höhe. In der Nacht hat es ein paar Zentimeter Neuschnee gegeben und so sind die Ausflüge auf die umliegenden Berge mit den Trekking-Schuhen zu gefährlich. Zusammen mit Christoph folge ich dem Weiterweg in Richtung Basislager.
Gleich nach dem Camp geht es sehr steil eine Moräne hinunter und auf der gegenüberliegenden Seite ist der Weg durch Steinschlag gefährdet. Danach befinden wir uns in einem tief eingeschnittenen Tal, durch das sich der Gletscherbach hindurchzwängt. Wir folgen dem Weg bis zum Beginn des Gletschers und kehren dann zum Lagerplatz zurück.

21. April 2003

Trekking vom Italian Base Camp zum Dhaulagiri Base Camp (4650 m)

Der heutige Aufbruch gestaltete sich sehr hektisch, da die Träger den langen Weg vom Basislager und zurück am selben Tag hinter sich bringen müssen. Den ersten Teil des Weges bis zum Gletscher kennen wir von gestern und wir wissen auch, dass das letzte Teilstück vor dem Gletscher sehr Steinschlag gefährdet ist. Diese Passage müssen wir noch vor dem Zeitpunkt hinter uns bringen, bevor die Sonne den Felsen bescheint. Das schaffen wir auch gerade noch. Danach geht es auf dem Gletscher mit vielem Auf und Ab weiter in Richtung Basislager.
Wir haben dabei einen sehr schönen Blick auf die unterschiedlichen Anstiegsrouten auf den Dhaulagiri. Gegen Mittag erreichen wir das Basislager und nun gilt es, die Zelte und das große Messzelt aufzustellen. Damit hatten wir unsere liebe Mühe, da das Domzelt mit den vielen Stangen sehr komplex aufzustellen ist. Danach teste ich noch meine Solaranlage als auch meinen Laptop. Als alles funktioniert, fällt mir ein Stein vom Herzen, denn ohne diese Anlage wäre dieses Tagebuch nicht möglich zu verfassen.

22. April 2003

Ruhetag im Basislager (4650 m)

Die ganze Nacht blies ein sehr starker Wind und so war an einen ruhigen Schlaf nicht zu denken. Nach dem Frühstück gehe ich mit Christoph bis zum Einstieg zum Lager I unter dem so genannten "Eiger". Wir vermissen ein Fixseil im unteren Teil der Aufstiegsspur und beschließen, dass morgen früh, vor unserem ersten Aufstieg anzubringen.
Nach unserer Rückkehr ins Basislager kommen weiter starke Windböen auf und der Stärkste bricht dann das Gestänge von unserem Messzelt. Somit müssen wir bereits einen Tag nach Erreichen des Basislagers das Gestänge von dem großen Domzelt reparieren. Anschließend verspannen wir das Zelt nochmals besser und hoffen, dass jetzt nicht noch mal so ein Desaster passiert. Danach wird sowohl Hochlager Verpflegung als auch Gruppenausrüstung ausgegeben. Am Nachmittag nimmt der Wind wieder ab und wir haben einen schönen Sonnenuntergang.

23. April 2003

Ruhetag im Basislager (4650 m)

Bereits um 7:00 Uhr fand heute Morgen die Puja statt. Diese Feier wird immer vor dem Beginn einer Expedition abgehalten und soll Glück bringen. Zu dieser frühen Stunde hat die Sonne das Basislager jedoch noch nicht erreicht und somit war es noch empfindlich kalt.
Nach dem Frühstück starte ich mit Christoph wieder zu der Steilstufe am "Eiger", an der wir bereits am Vortag waren, und bringen hier noch die fehlenden 120 m Fixseil an. Dadurch soll vor allem der Abstieg sicherer werden. Auch unsere beiden Hochträger beginnen zum gleichen Zeitpunkt mit dem Aufstieg zum Lager I und bringen bereits die ersten Zelte dort hin. Wir können erkennen, dass sie nur langsam vorankommen. Der Grund hierfür sind sicher die sehr hohen Temperaturen und die starke Sonneneinstrahlung am heutigen Tag. Am Nachmittag beginnen wir mit der Unterweisung an den Funkgeräten. Der Gebrauch der Überdruckkammer bei einer Höhenerkrankung sowie die dafür notwendigen Notfall Medikamente wurden besprochen und die Handhabung des Notfall Sauerstoffs vorgeführt. Danach wird die Ausrüstung für den morgigen Aufstieg zum Lager I, welches in 5800 m Höhe aufgebaut werden soll, zusammengestellt. Da es in dieser Etappe einige Gletscherspalten gibt, teilen wir uns in mehrere Seilschaften auf. Die Etappe ist sehr lang und daher beschränken wir uns auf ein möglichst leichtes Gepäck. Heute gehen alle sehr früh (20:00 Uhr) zu Bett, damit genügend Reserven für den morgigen Aufstieg zur Verfügung stehen.

24. April 2003

Aufstieg zum Lager I (5800 m)

Die erste Gruppe startet bereits um 3:00 Uhr, ich verlasse mit dem Rest der Mannschaft um 4:00 Uhr das Basislager. Bereits beim ersten steilen Aufschwung am "Eiger" wird mir klar, dass ich viel zu warm angezogen bin und ich lege eine Bekleidungsschicht ab. Die Route führt zwischen einem großen Eisbruch und dem "Eiger" in das Hochbecken unter der Dhaulagiri - Nordwand.
Ab hier gehen wir wegen der großen Spaltensturzgefahr am Seil. Robert, Christoph und ich bilden heute eine Seilschaft und wir passen in Bezug auf das Gehtempo sehr gut zusammen. Das Hochbecken ist zuerst nur leicht ansteigend und wird dann über mehrere Stufen steiler.
Erst 200 m unterhalb von Lager I erreicht uns die Sonne und ab dort gehen wir in der prallen Sonne. Einen kühlenden Wind gab es auch nicht, aber dafür eine grandiose Aussicht bei einem wolkenlosen Himmel. Nach 4:30 Std. erreichen wir das Lager I.
Wir stellen ein Zelt auf und deponieren darin unsere mitgebrachten Ausrüstungsgegenstände. Erst beim Abstieg wird mir bewusst, wir lange doch der Weg vom Basislager zum Lager I tatsächlich ist. Gegen 12:00 Uhr sind wir wieder im Basislager und können uns von dem ersten Ausflug zum Lager I erholen.

25. April 2003

Ruhetag im Basislager (4650 m)

Heute wollten wir eigentlich ausschlafen, aber ab 4:00 Uhr bellt der seit einem Tag im Basislager eingetroffene Hund ohne Unterbrechung. Er ist mit den Trägern einer weiteren Expedition hier eingetroffen und ist geblieben! Am Morgen gebe ich ein Live Interview direkt vom Basislager mit Michael Welter bei SWR 4. Danach stellen wir die Ausrüstung für den nächsten Aufstieg zusammen. Unser Plan sieht den morgigen Aufstieg und die erste Übernachtung in Lager I vor. Am nächsten Tag (27.04.2003) ist der Aufstieg zu Lager II (6700 m) geplant. Hier wird jedoch nur ein Depot eingerichtet und wieder abgestiegen. Ob wir dann gleich wieder in Basislager absteigen oder eine weitere Nacht in Lager I verbringen, hängt sehr von der weiteren Wetterentwicklung ab. Anhand der vorhandenen Wetterberichte muss eher von einer Wetterverschlechterung in den nächsten Tagen ausgegangen werden. Heute ist es bei Weitem nicht mehr so wolkenlos wie gestern, ganz im Gegenteil, ab dem Mittag haben wir Nebel.

26. April 2003

Erste Nacht im Lager I (5800 m)

Wie bereits beim ersten Aufstieg zum Lager I starten wir um 5:00 Uhr früh vom Basislager. Der Himmel ist sternenklar und der Tag verspricht schön zu werden.
Etwa 200 m unterhalb von Lager I befindet man sich in einer Querung, die durch Eisschlag stark bedroht ist. Diesen Bereich versuchen wir, möglichst schnell hinter uns zu lassen. Gegen 10:00 Uhr erreichen wir dann bei herrlichem Sonnenschein das Lager I in 5800 m Höhe. Wir beginnen sofort mit dem Ausschaufeln der Zeltplattformen.
Nach dem Mittag ziehen dann die ersten dunklen Wolken auf und etwas später, beginnt es zu schneien. Nun ist wieder, wie so oft bei Expeditionen, ein langweiliges Hochlager - Nachmittag angesagt. Leider habe ich kein Buch zum Lesen mit nach oben gebracht und so vertreibe ich mir die Zeit mit kurzweiliger Unterhaltung und Kochen. Zum Glück hat niemand Probleme mit der Höhe und so hoffen wir auf schönes Wetter für den morgigen Tag, damit wir zum Lager II in 6700 m aufsteigen können.

27. April 2003

Wettersturz beim Aufstieg zum Lager II (6700 m)

Gegen 4:00 Uhr früh beginnen unsere Zeltnachbarn bereits mit dem Kochen und so ist an ein weiteres Schlafen nicht mehr zu denken. Ich verlasse meinen warmen Schlafsack und schaue nach dem Wetter. Es ist keine Wolke zu sehen und somit steht unserem geplanten Aufstieg zum Lager II nichts im Wege. Eine Stunde später ist es bereits hell, aber immer noch bitterkalt und so legen wir unseren Aufbruch auf 5:30 Uhr fest. Mühsam setzen wir uns in Bewegung und wissen noch nicht genau, was uns im Bezug auf die Spaltensturzgefahr erwartet. Außer ein paar kleineren Spalten sieht das Gelände recht sicher aus. Stetig ansteigend zieht das Gelände in die Richtung des Nordostgrates nach oben.
Nachdem wir endlich in der wärmenden Sonne weiter nach oben steigen, zeigen sich am Himmel die ersten Schleierwolken, die nichts Gutes verheißen. Eine Stunde später schiebt sich bereits eine beängstigende dunkle Wolkenschicht über den Dhaulagiri Gipfel. Wir sind zu diesem Zeitpunkt auf 6200 m Höhe und denken, dass das Wetter sicher noch eine Stunde hebt. Die Wolkenfront kommt jetzt aber in einer solchen atemberaubenden Geschwindigkeit über den Gipfel, dass wir den sofortigen Abstieg beschließen. Wir richten auf 6300 m Höhe ein Depot ein und steigen schnell wieder zum Lager I ab.
Als wir dort angekommen, beginnt es bereits zu schneien. Wir verschließen sorgfältig die Zelte im Lager I und treten gemeinsam den Abstieg zum Basislager an. In der Zwischenzeit sind auch vom Tal herauf dicke dunkle Schneewolken heraufgezogen und wir sehen nach kurzer Zeit wie Schneemänner aus. Dann kommen wir an die Stelle, an der wir bereits am Vortag Angst vor Eisschlag gehabt haben. Uns verschlägt es fast den Atem, als wir das Ausmaß des Einzugsgebietes des Eisabganges sehen. Unsere Spur verläuft unter Meter dicken Eisbrocken und wir müssen uns mühevoll einen neuen Weg durch die Eiswüste suchen. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn wir zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort gestanden wären. Da kann man nur sagen "Glück gehabt". Wir steigen rasch weiter ab und sind um 11:00 Uhr wohlbehalten im Basislager. Am Nachmittag wird das Wetter kurzfristig wieder etwas besser, bevor am Abend die Kaltfront mit Gewitter und Schneeschauer ihren Einzug hält.

28. April 2003

Starker Schneefall im Basislager (4650 m)

Am Morgen scheint noch die Sonne und alle gehen noch schnell unter die Dusche bevor dann erneut dicke Wolken aufziehen.
Vor dem Mittagessen, das heute unsere beiden Expeditionsleiter zubereitet haben, beginnt es intensiv zu schneien. Aber das hat uns den Appetit nicht vermiesen können, ganz im Gegenteil, die Käsespätzle haben vorzüglich geschmeckt. Am Nachmittag gab es langanhaltenden Schneefall begleitet von Gewittern. Wir sind froh, dass wir im sicheren Basislager sind, hoffen jedoch inständig, dass es oben nicht allzu viel neuen Schnee hinwirft. Am Nachmittag kommt wieder starker Wind auf aber hin und wieder kommt auch die Sonne zum Vorschein.

29. April 2003

Wetterkapriolen

Die halbe Nacht hat es geschneit, und als ich am Morgen aus dem Zelt schaue, hat es bereits 10 cm Neuschnee. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar nur wenige Wolken am Himmel, aber in der Ferne konnte man bereits die ersten Vorboten für eine erneute Wetterverschlechterung erkennen.
Zur Mittagszeit schneit es dann bereits wieder und die Windstärke nimmt zu. Leider stimmt uns der Wetterbericht für die kommenden Tage auch nicht gerade zuversichtlich. Morgen soll es zu weiteren Niederschlägen kommen und ein ähnlicher Wetterverlauf wird heute sein.
Danach dreht der Wind auf Nord und die Niederschläge sollen nachlassen. Dafür erreicht der Wind Spitzenwerte von 120 km / Std. im Gipfelbereich bei einer Temperatur von um die -35 °C. Im Lager I werden noch Windgeschwindigkeiten von über 60 km / Std. erwartet. Ein Aufbauen von Lager II ist unter diesen Bedingungen eher nicht sehr sinnvoll, da das Risiko für den Verlust der Ausrüstung zu groß ist. Aus diesem Grund wollen wir zumindest bis morgen noch im Basislager abwarten.
Für den darauffolgenden Tag wäre ein erneuter Aufstieg zum Lager I denkbar und nach einer weiteren Nacht in Lager I könnte dann zumindest die noch fehlende Ausrüstung im Lager II deponiert werden. Das ist aus heutiger Sicht allerdings nur ein Wunschgedanke. Wie die Realität aussehen wird, wird sich dann zeigen. Bis dahin heißt es die Nerven bewahren und abwarten.

30. April 2003

Gefährlicher Aufstieg unter dem "Eiger"

In der Nacht hat es nicht mehr geschneit und der Morgen beginnt mit Sonnenschein. Aus diesem Grund beginnen die Hochträger am Morgen mit dem Aufstieg zum Lager I. Unter dem "Eiger" kommen sie wegen erheblichen Neuschnees nur sehr langsam voran. Als dann die ersten Sonnenstrahlen den "Eiger" treffen, gehen die Lawinen über die geplante Aufstiegsspur ab. Nun heißt es, schnell den weiteren Aufstieg der Hochträger zu stoppen. Sie haben ein Funkgerät dabei, aber es ist im Moment ausgeschalten und somit können sie nicht erreicht werden.
Nun eilen Robert und Jochen zum Einstieg und rufen den Hochträgern die Gefahrenmeldung zu. Unverzüglich kehren alle ins Basislager mit der Erkenntnis zurück, dass die Gefahr falsch eingeschätzt wurde. Obwohl wir im Basislager nur ca. 10 cm Neuschnee erhalten haben, muss es in der Höhe doch erheblich mehr geschneit habe. Dadurch ist die Lawinengefahr erheblich größer als zuerst angenommen. Leider ist die weitere Wetterentwicklung auch nicht positiv. Nach dem neuesten Wetterbericht soll es ab dem 02.05.2003 im Gipfelbereich sogar Windgeschwindigkeiten bis 180 km / Std. geben und eine Wetterbesserung ist erst ab dem 05.05.2003 in Sicht. Aus diesem Grund haben wir unseren weiteren Plan etwas abgewandelt: Aufstieg zum Lager I und danach, wenn möglich, gleich zum Lager II um dort ein Depot einzurichten. Danach Abstieg zum Lager I und Übernachtung im Lager I. Am darauf folgenden Morgen sind der Abbau von Lager I und das Deponieren der gesamten Ausrüstung in einem Schneeloch geplant. Damit soll der Verlust der Ausrüstung durch den Sturm verhindert werden. Am Nachmittag zieht es wieder zu und es schneit erneut.

TOP


01. Mai 2003

Im knietiefen Schnee vom Basislager bis auf die Höhe von 6400 m

Wegen der akuten Lawinengefahr am "Eiger" müssen wir diese Passage noch vor Sonnenaufgang hinter uns lassen. Aus diesem Grund starten wir um 4:00 Uhr früh vom Basislager und müssen uns mühsam den Weg über die riesigen Lawinenkegel suchen. Bei Nacht und nur mit dem kleinen Lichtkegel der Stirnlampen ein schwieriges Unternehmen. Ich bin überrascht über die Ausmaße der Lawinenabgänge am Vortag. Nach einer Stunde haben wir den gefährlichen Abschnitt überwunden und kommen in das Gletscher - Hochbecken unter der Dhaulagiri - Nordwand.
Wir sind über die erheblich größeren Neuschnee - Mengen, als erwartet, sehr überrascht. Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung legen wir in gut 30 cm tiefem Neuschnee die Spur neu an.
Um 10:30 Uhr erreichen wir dann unser Lager I in 5800 m Höhe. Die Zelte sind zwar stark eingeschneit, aber es ist keines beschädigt. Die Sonne brennt auf uns herunter und wir entscheiden uns für eine zweistündige Pause, um für den weiteren Aufstieg neue Kräfte zu tanken. Um 12:30 Uhr verlassen wir das Lager I mit dem Ziel, die auf dem Weg angelegten Depots aufzuheben und das Material zum Lager II in 6700 m zu bringen. Diese Depots wurden beim letzten Aufstieg zum Lager II wegen eines Wettersturzes angelegt. Wir waren der Meinung, dass es auf dem Rücken zum Lager II eher weniger Schnee hat. Aber weit gefehlt. Hier war der Neuschnee fast durchgängig knietief und es artete in eine harte Spurarbeit aus. Wir haben die drei Depots auf der Strecke gefunden und haben das gesamte Material bis zum Depot in 6300 m hinaufgebracht.
Weiter haben unsere Kräfte einfach nicht mehr gereicht. Aber 1600 m unter diesen Bedingungen aufzusteigen ist mehr als nur eine bemerkenswerte Leistung. Dafür wurden wir mit einer grandiosen Aussicht auf die Annapurna-Gipfel belohnt.
Nachdem der Wind, wie im Wetterbericht angekündigt, stark erhöht hat, beginnen wir den Abstieg zum Lager I gegen 14:00 Uhr. Bei einem wunderschönen Sonnenuntergang sicheren wir unsere Zelte für den angekündigten Sturm, der morgen den Dhaulagiri erreichen soll.

02. Mai 2003

Abstieg im Sturm vom Lager I

Gegen 3:00 Uhr rütteln starke Windböen am Zelt und an ein weiter schlafen ist nicht mehr zu denken. Schnell packen wir unsere Ausrüstung zusammen und verlassen das Lager I bei Sturm um 5:00 Uhr.
Die vom Wind mitgerissenen Schneekörner schmerzen in den Augen und wir müssen unverzüglich die Sturmbrillen und dicke warme Handschuhe gegen die tiefen Temperaturen anziehen. Erst als wir im Gletscher - Hochbecken ankommen, ist der Wind nicht mehr so stark und die Temperaturen sind erträglicher. Die Lawinenkegel am "Eiger" sind seit gestern nochmals angewachsen und die Spuren vernichtet worden. Mit äußerster Sorgfalt muss der Abstieg in dieser Passage bewerkstelligt werden, damit man bei einer Steilheit von 45° nicht ausrutscht. Pünktlich zum Frühstück sind alle wieder im Basislager und lassen sich das Essen schmecken. Im Basislager ist, außer den Schneefahnen im Gipfelbereich von dem starken Wind nichts zu sehen. Am Morgen rufen wir über Email den neuesten Wetterbericht ab. Darin wird ausdrücklich nochmals eine Sturmwarnung ausgesprochen, die im Mount Everest Basislager bis zu 35 m/s betragen soll. Wir hoffen, dass wir von solchen Windgeschwindigkeiten verschont bleiben, sichern aber alle Zelte nochmals gegen den Sturm ab.

03. Mai 2003

Orkan im Basislager

Am Morgen ist das Wetter noch recht schön, allerdings sind im Gipfelbereich schon lange Schneefahnen zu erkennen. Den Vormittag verbringe ich mit Bücherlesen. Ab dem Mittag ziehen dann dicke Wolken heran und der Wind wird von Stunde zu Stunde stärker.
Gegen 16:00 Uhr fliegt dann das Küchenzelt davon und damit beginnt die Serie der Zerstörung durch den starken Sturm. Umgehend wird das Küchenzelt evakuiert und die Küche zieht in das Materialzelt um. Die Sturmböen sind so stark, dass man sich kaum noch auf den Füssen halten kann (80 - 90 km/Std.). Alle versuchen die Zelte mit weiteren Verspannungen zu sicheren. Die Sicht ist teilweise weniger als 10 m, wenn man sich mitten in einem Schneegestöber befindet.
Danach geht auch das Messzelt kaputt und wie hoffen, dass es nicht ganz wegfliegt. Es herrscht Weltuntergangsstimmung im Basislager und überall stehen die Leute vor den Zelten und versuchen zu retten, was zu retten ist. Niemand hier im Basislager hat je so einen Sturm erlebt.
Am Abend beschließen wir, die Zelte soweit wie möglich leer zu räumen, damit nach einer Zerstörung der Zelte nicht unnötig viel Ausrüstung verloren geht. Die kommende Nacht ist die Hölle, Sturmböen mit Schnee peitschen ununterbrochen gegen das Zelt. Ich liege in voller Montur im Schlafsack, damit ich mich im Ernstfall sofort in Sicherheit bringen kann. Über mehrere Stunden zucken Blitze vom Himmel und alles ist taghell beleuchtet. Die Stimmung wird dadurch noch gespenstischer und ich komme mir wie in einem Gruselfilm vor.

04. Mai 2003

Kurze Wetterberuhigung

Am frühen Morgen lässt der Sturm etwas nach und wir haben Gelegenheit eine erste Schadenbilanz zu ziehen. Die Zelte der einzelnen Mitglieder sind unversehrt. Beim Messzelt sind mehrere Stangen gebrochen und Nähte wurden aufgetrennt. Nach dem Frühstück machen wir uns an die Reparaturarbeiten und versuchen alles wieder in den Zustand zu bringen, dass die Zelte weitere Sturmtage aushalten können.
Für die nächsten zwei Tage ist weiterhin starker Sturm angekündigt. Am Nachmittag fängt es zum Schneien an, glücklicherweise ist die Windstärke nur gering.

05. Mai 2003

Der erneut angekündigte Sturm ist zum Glück ausgeblieben

Am späten gestrigen Abend haben wir aus Sicherheitsgründen unser Messzelt abgebaut. Christoph Lafaille, der Profibergsteiger, hat uns eine erneute Sturmwarnung zur späten Stunde überbracht. Nach diesem Bericht wird von einem Sturm mit einer Geschwindigkeit von 150 km/Std. in Basislager Höhe gewarnt. Christoph Lafaille ist auch auf unserem Permit (Besteigungserlaubnis von der nepalesischen Regierung) für den Dhaulagiri, ist aber selbstverständlich eigenständig. Er ist ein sehr sympathischer Mensch und es macht sehr viel Spaß mit einem solch erfahrenen und leistungsstarken Profibergsteiger unterwegs zu sein. Er hat natürlich genau die hohen Berge schon bestiegen, die mir noch fehlen wie K2 und Annapurna. Insgesamt hat er acht 8000er, zum Teil auf neuen Routen bestiegen und zählt damit zu den ganz großen in der Bergsteigerszene. Die Nacht war dann wiedererwartend sehr ruhig. Nur in der Höhe tobte ein unerbittlicher Sturm, im Basislager selbst war es windstill. Nachdem unser Messzelt abgebaut ist, frühstücken wir heute im Freien.
Am frühen Morgen lag uns noch kein neuer Wetterbericht vor und somit ist die Wetterentwicklung in den nächsten Tagen noch ungewiss. Die Umfrage bei den Teilnehmern im Bezug auf eine eventuelle Verlängerung der Expedition kam zu dem Ergebnis, dass der Großteil verlängern würde, wenn es in der zusätzlich zur Verfügung stehenden Zeit eine realistische Chance für einen Gipfelversuch gibt. Die Expeditionsleiter Robert und Jochen überprüfen nun, unter welchen organisatorischen Voraussetzungen das möglich ist. Flug - Umbuchung, Träger, Verpflegung usw. Alle Expeditionen im Basislager hoffen jedoch auf eine baldige Wetterbesserung, damit wieder Bewegung in das Unternehmen hineinkommt. Kurz nach 7:00 Uhr MEZ fand dann das zweite Live Interview bei SWR 4 mit Michael Welter statt, in dem nochmals auf die Wetterproblematik eingegangen wurde. Am Nachmittag setzt wieder Schneefall ein und der beste Platz ist im trockenen Zelt.

06. Mai 2003

Noch keine durchgreifende Wetterbesserung

Am frühen Morgen sind unsere Hochträger in Richtung Lager I aufgebrochen. Zuerst ist es wolkenlos, aber nach wenigen Stunden ziehen wieder Wolken auf. Zuvor stellen wir unser Messzelt wieder auf, welches wir vor zwei Tage wegen des angekündigten Sturmes abgebaut haben. Danach beginnt es wieder zu schneien und wir verbringen den Rest des Tages in den Zelten. Am Nachmittag treffen unsere Hochträger vom Lager I kommend wieder im Basislager ein. Sie berichten, dass die Zelte nicht beschädigt wurden, jedoch tief unter dem Schnee liegen. Unsere weiteren Pläne sehen folgendermaßen aus: Mittwoch Aufstieg zum Lager I - Donnerstag Aufstieg zum Lager II - Freitag Versicherungsarbeiten zwischen Lager II und Lager III mit einer weiteren Übernachtung im Lager II - Samstag Abstieg ins Basislager. Letztendlich entscheidet aber das Wetter, was möglich ist.

07. Mai 2003

Erneutes Spuren zum Lager I (5800 m)

Wir starten um 5:00 Uhr vom Basislager. Obwohl die Sherpas erst gestern am späten Nachmittag vom Lager I abgestiegen sind, sind alle Spuren wieder unter einer Neuschneedecke verschwunden. Kaum haben wir den "Eiger" hinter uns gelassen muss im Gletscherbecken im knietiefen Schnee ein neuer Weg angelegt werden. Mühsam quälen wir uns nach oben. Die schwedische Expedition steigt heute auch nach oben, sie sind aber so langsam, dass sie für die Spurarbeiten nicht infrage kommen. Christoph Faille mit seiner unglaublichen Ausdauer, Robert, Jochen, Christoph und ich legen den Weg wie ein Schneepflug nach Lager I an.
Dort angekommen wartet eine erneute Herausforderung auf uns. Von den Zelten schaut gerade mal die obere Spitze heraus, der Rest ist unter dem Schnee begraben. Nach einer weiteren Stunde harter Arbeit mit der Schaufel sind die Zelte freigelegt und man muss jetzt zum Zelteingang erst einmal 1,50 m im Schnee absteigen.
Am Nachmittag gibt es erneuten Schneefall und wir entscheiden, am nächsten Tag ohne Gepäck nach Lager II aufzusteigen und das Depot in 6300 m Höhe aufzulösen. Gleichzeitig aber für die Sherpas die Möglichkeit zu schaffen weiteres Material nach Lager II zu bringen.

08. Mai 2003

Materialtransport vom Lager I (5800 m) nach Lager II (6700 m)

Ein Teil der Mannschaft spurt den Weg vom Lager I in dem knietiefen Schnee in Richtung Lager II. Nur sehr mühsam kommen wir in dem tiefen Schnee voran und wir müssen uns regelmäßig in der Spurarbeit abwechseln.
Als wir dann die Höhe von 6400 m erreichen, stellt sich die bange Frage: Wo ist unser Depot, welches wir beim letzten Vorstoß angelegt haben? Jochen hatte die Position zwar mit dem GPS aufgenommen, dann aber doch aus irgendeinem Grund die Koordinaten wieder gelöscht. Die Markierungsstange schaut gerade mal 10 cm aus dem Schnee. Wir graben einen Meter herunter und finden immer noch nichts. Jochen sondiert den näheren Umkreis und er ist sich sicher, hier muss es sein! Dann in 1,50 m Tiefe finden wir die Zelte und die Seile. Wir sind überglücklich, dass wir das Depot wiedergefunden haben - nicht vorstellbar, welcher Schaden uns entstanden wäre, wenn wir es nicht gefunden hätten!
Die Sherpas der schwedischen Expedition graben den halben Hang um und finden ihr Depot mit Zelten und persönlichen Ausrüstungen nicht mehr. Wir lösen unser Depot auf und bringen das Material weiter nach oben. Kurz darauf wird die Sicht so schlecht, dass wir in der Höhe von 6500 m ein erneutes Depot einrichten müssen. Den endgültigen Platz für Lager II können wir im Schneetreiben nicht mehr finden. Vor allem die Beurteilung, ob der Lagerplatz sicher ist, ist bei 50 m Sicht unmöglich. So drehen wir um und steigen zurück zu Lager I.

09. Mai 2003

Erste Nacht im Lager II (6700 m)

Heute gehen unsere zwei Sherpas mit leichtem Gepäck voran und treten die Spur vom Vortag hinauf zum Lager II neu. Mit den schweren Rucksäcken sind wir für diese Erleichterung sehr froh und wundern uns über die Distanz von unserem Depot, welches wir gestern angelegt haben (6500 m), bis zum eigentlichen Lager II.
Dort angekommen beginnen wir sofort mit dem Herausschaufeln der Zeltplattformen. Bei einer Hangneigung von ca. 40° ein nicht zu unterschätzender Aufwand. Kaum stehen die ersten Zelte, beginnt es leicht zu schneien und wir sind froh über unsere schützende Haut. Nach und nach treffen die einzelnen Teilnehmer im Lager ein und verziehen sich in die Zelte.
Am späten Nachmittag können wir auf das Wolkenmeer unter uns sehen, bis sich auch diese Wolkendecke am Abend in Glanz auflöst und eine herrliche Atmosphäre liefert. Zu zweit in den kleinen Zelten bedeutet, dass sich zu einem Zeitpunkt immer nur einer bewegt. Aber irgendwie bekommen Christoph und ich es doch hin, dass wir das lästige Kochen hinter uns bringen. So richtig schmecken tut uns nichts und auch das Trinken will nur mit Mühe hinunter, obwohl wir wissen, dass es wichtig ist. Ich liege in der Nacht mit Rückenschmerzen neben dem friedlich schlafenden Christoph und weiß nicht, wie ich mich am besten hinlegen soll. Zu alle dem prasseln ununterbrochen die vom Wind mitgerissenen Schneekristalle gegen das Zelt.

10. Mai 2003

Abstieg vom Lager II (6700 m)

Die ganze Nacht hat es Schnee gegen unser Zelt geblasen und das schon sehr kleine Zelt wurde immer kleiner und kleiner. Gegen 5:00 Uhr wird es dann hell und wir mussten feststellen, dass das Zelt bis zum Giebel vom Schnee eingeschlossen ist und auch der Eingang nur noch eine Öffnung von ein paar Zentimetern bietet. So bleibt uns nichts anderes übrig, als unseren Eingang von anderen Zeltgemeinschaften freischaufeln zu lassen. In Anbetracht des starken Windes und den Anstrengungen der letzten zwei Tage mussten wir unseren Plan zum Anbringen von Fixseilen oberhalb von Lager II aufgeben. Abgesehen vom Wind und den anwehenden Schneekristallen war der Morgen wunderschön und die Aussicht grandios.
Wegen des erneut angekündigten starken Windes schaufeln wir die Zelte aus und bauen sie wieder ab. Ein Verlust der Zelte hätte fatale Folgen für die Expedition.
Die Aufstiegsspur vom Vortag ist leider nicht mehr vorhanden und so bahnen wir uns den Weg hinunter zum Lager I. Im Lager I machen wir einen kurzen Stop und deponieren dort unsere Ausrüstung für den nächsten Aufstieg. Auch der weitere Abstieg zum Basislager muss gespurt werden. Obwohl es erst 10:00 Uhr ist, haben wir schon starke Bedenken in Bezug auf Lawinen bei der Querung unter dem "Eiger". Lawinen kommen keine, dafür stollen meine Steigeisen in dem aufgeweichten Schnee sehr stark. Ich ziehe sie aus, bereue es aber schon nach wenigen Hundert Meter wieder. Jetzt ist es unter dem aufgeweichten Schnee wieder glatt und ich schleiche mich unter Zuhilfenahme des Pickels Schritt für Schritt hinunter. Gegen 11:00 Uhr sind alle wohlbehalten im Basislager und lassen sich das Mittagessen schmecken. Am Nachmittag ist Duschen angesagt und dann zählt nur noch ausruhen.

11. Mai 2003

Neue Energie wird aufgetankt

Man glaubt gar nicht, wie tief und fest man im Vergleich zu den Hochlagern hier im Basislager schlafen kann. Auf jeden Fall fühle ich mich heute Morgen richtig gut und auch das Wetter zeigt sich am Morgen von seiner besten Seite mit herrlichem Sonnenschein. Alle haben bei dem letzten Ausflug zum Lager II einige Pfunde an Gewicht verloren und so geht das Essen entsprechend schnell zur Neige, was aber für unseren Koch kein größeres Problem darstellt. Am Vormittag besprechen wir dann die weitere Strategie der Expedition. Nach den uns vorliegenden Wetterberichten müssen wir erkennen, dass wir in dem uns vorgegebenen Zeitraum bis zur Abreise aus Nepal am 23.05.2003 leider keine Gipfelchancen mehr haben.
In den nächsten Tagen hat es oberhalb von 7000 m Höhe wieder sehr starker Wind. Bergsteigerische Aktivitäten sind in dieser Zeit nicht möglich. Die einzige Hoffnung liegt in einem Zeitfenster vom 19.05. - 21.05.2003 in dem die Meteorologen eine mögliche Wetterberuhigung vorhersagen. Aber auch hierüber geben sie keine Garantie ab, es kanngenau so gut sein, dass in dieser Saison dieses "Schön Wetterfenster" ganz ausbleibt und dadurch die meisten oder alle Expeditionen im Himalaya ohne Gipfelerfolg heimkehren. Bis dato glauben wir aber nach wie vor an eine Chance für uns und aus diesem Grund beschließen wir, die Expedition bis zum 30.05.2003 zu verlängern. Die meisten Teilnehmer wollen diesen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Zwei Expeditionsmitglieder überlegen sich diese Option bis morgen und danach werden die Flüge umgebucht. Ohne einen ernsthaften Versuch in Richtung Gipfel möchten wir nicht die Rückreise antreten. Jeder Einzelne hat so viel Zeit, Geld und Energie in dieses Unternehmen investiert, dass wir nicht einfach unverrichteter Dinge vom Basislager ziehen können. Für die kommenden Tage heißt es somit: Ruhe bewahren und den richtigen Zeitpunkt abwarten. Die Akklimatisation ist mit der Übernachtung im Lager II abgeschlossen und nun muss uns das Wetter einen Versuch zulassen.

12. Mai 2003

Verwirrung bezüglich des Wetters

Nach Mitternacht bläst ein starker Wind aus östlicher Richtung und an einen ruhigen Schlaf ist nicht mehr zu denken. Kaum ist die Sonne da, lässt der Wind nach und man denkt sofort, dass heute gute Bedingungen am Berg sind. Später stellen sich an den Gipfeln doch noch Schneefahnen ein und somit ist der Wind gut sichtbar. Nach nochmaligem Studium der Wetterberichte wird die Entscheidung getroffen, dass dann die Sherpas morgen nach Lager II aufsteigen sollen und die Strecke zwischen Lager II und Lager III mit Fixseilen versehen sollen. Diese Aufgabe ist sehr anspruchsvoll, da in diesem Abschnitt sehr hartes Wintereis anzutreffen ist. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Sherpas dieses Problem lösen können.

TOP


 

13. Mai 2003

Aufbruchstimmung

Am Morgen ist ein herrliches Wetter ohne nennenswerten Wind und die Sherpas starten wie am Vortag besprochen bei Tagesanbruch nach Lager II. Auch die Sachsen bringen noch einige Fixseile am Einstieg unter dem "Eiger" an. Nach dem Live Interview im SWR 4, wie immer gegen 6:30 Uhr MEZ, beginne auch ich meine Ausrüstung für einen Gipfelgang zusammenzustellen.
Am Nachmittag ziehen dann die Wolken vom Tal herauf und es ist ungemütlich. Spätestens morgen soll nochmals ein ausführlicher Wetterbericht eintreffen, nach dem wir dann eine Entscheidung für den Gipfeltermin treffen wollen. Allerdings muss zuvor die Fixierarbeit zwischen Lager II und Lager III abgeschlossen sein.

14. Mai 2003

Verwirrung über die Wettervorhersagen

In der Nacht hat es etwas Neuschnee gegeben und so zeigte sich die Landschaft am Morgen sehr winterlich. Nachdem der Funkkontakt zu unseren Sherpas gestern nicht geklappt hat, überprüften Jochen und ich die einzelnen Einstellungen an unserem Funkgerät. Tatsächlich waren in den recht komplizierten Einstellungen einige Punkte nicht richtig gesetzt. Zum Schluss funktionierte zumindest der Funkkontakt zwischen mehreren Handfunkgeräten und der Basisstation mit immerhin 50 Watt Sendeleistung ohne Probleme. Am Abend ist dann auch die Verbindung zum Lager II problemlos zustande gekommen. Allerdings war die Nachricht nicht sehr positiv. Leider war der Wind für das Anbringen von Fixseilen oberhalb von Lager II zu groß und so mussten die Sherpas den Tag in Lager II verbringen. Auch die zusammengetragenen Wetterberichte aus den unterschiedlichsten Quellen zeigen kein einheitliches Bild. Eine Mehrheit der Vorhersagen geht von einem abnehmenden Wind am 19. und 20. Mai aus, sodass diese Tage am ehesten für einen Aufstieg zum Gipfel geeignet erscheinen. Dazu muss jedoch das Problem mit den Fixseilen zwischen Lager II und Lager III noch gelöst werden.

15. Mai 2003

Ein Tag mit positiven Meldungen

Bereits am frühen Morgen tobt der Wind um den Gipfel des Dhaulagiri. Als die Teilnehmer zum Frühstück gehen, sagen die Gesichter schon alles: "Besteht heute die Möglichkeit den Weg zwischen Lager II und Lager III mit Fixseilen zu versehen?" Es gab dann zwar die eine oder andere Diskussion, aber letztendlich können wir die Situation vom Basislager aus nicht beurteilen und müssen auf den Funkkontakt um 14:00 Uhr warten. Vor dem Mittag besuche ich noch meine Freunde von der sächsischen Expedition, die ich seit mehreren Jahren kenne und die ihr Lager in unmittelbarer Nähe von unserem Basislager haben. (Götz Wiegand, Frank Meutzner, Olaf Zill und Olaf Köhler). Wir waren am Makalu und am Mount Everest zusammen am Berg. Ihr Plan sieht so aus, dass sie morgen mit dem Aufstieg zu den Hochlagern beginnen wollen.

Wir bekommen am Nachmittag endlich mal zwei gute Nachrichten:
1.) Die Sherpas konnten heute 500 m Fixseile zwischen Lager II und Lager III anbringen.
2.) Der Wetterbericht meldet zwischen dem 19. bis zum 23. Mai moderaten Wind im Gipfelbereich des Dhaulagiri.

Somit sieht unser weiterer Plan folgendermaßen aus:
17. Mai - Aufstieg zum Lager I (5800 m)
18. Mai - Aufstieg zum Lager II (6700 m)
19. Mai - Aufstieg zum Lager III (7400 m)
20. Mai – Gipfelversuch

16. Mai 2003

Letzte Vorbereitungen

Der heutige Tag wird für die letzten Vorbereitungen genutzt. Ausrüstung überprüfen, Verpflegung für die nächsten Tage zusammenstellen und sich moralisch für den Aufstieg vorbereiten.

17. Mai 2003

Aufstieg zum Lager I (5800 m)

Bei gutem Wetter steigen wir wieder zum Lager I hinauf. In der Zwischenzeit hat sich der Schnee gefestigt und somit können wir ohne allzu großen Krafteinsatz aufsteigen.
Am Nachmittag ruhen wir uns in den Zelten aus, damit wir für die nächsten Tage genügend Energie zur Verfügung haben.

18. Mai 2003

Aufstieg zum Lager II (6700 m)

Toller Sonnenschein begleitet uns bei dem schon bekannten Aufstieg zum Lager II.
Da wir die Zelte beim letzten Aufenthalt in diesem Lager sicherheitshalber wieder abgebaut haben, benötigen wir einige Zeit, um diese wieder aufzustellen. Während dieser Arbeit schauen wir immer wieder auf die morgige Etappe, die doch sehr beeindruckend aussieht. Das vorhandene Blankeis bei einer durchschnittlichen Geländesteilheit von über 45° macht eine Absicherung mit Fixseilen zwingend erforderlich.
Bis zum wunderschönen Sonnenuntergang können wir die eindrucksvolle Bergwelt um uns herum genießen, und ziehen uns dann mit diesen Gedanken in die warmen Schlafsäcke zurück.

19. Mai 2003

Aufstieg zum Lager III (7400 m)

Nachdem uns die ersten Sonnenstrahlen erreichen, machen wir uns startklar für den weiteren Aufstieg. Oberhalb des Lagers beginnen die von den Sherpas vor ein paar Tagen angebrachten Fixseile und hier kommen wir trotz der Höhe recht gut voran.
Nach 400 Höhenmetern sind jedoch die Fixseile zu Ende und es müssen jetzt noch weitere angebracht werden. Trotz gemeinsamer Anstrengungen benötigen diese Arbeit viel Zeit und Energie.
Am frühen Nachmittag erreichen wir dann den Lagerplatz für Lager III. Das Ausschaufeln der Zeltplattformen in dieser Höhe ist unheimlich anstrengend und man muss aufpassen, dass man dabei nicht unerträgliche Kopfschmerzen bekommt. Wir wechseln uns beim Schaufeln immer wieder ab, um in den Erholungspausen neue Energie mobilisieren zu können. Dann stehen alle Zelte und wir können mit dem Kochen beginnen. Trinken, trinken das ist jetzt das Wichtigste. Christoph und ich sind wieder gemeinsam im Zelt und wir finden am Abend recht schnell den Schlaf, nachdem wir die Ausrüstung für den morgigen Tag hergerichtet haben.

20. Mai 2003

Gipfeltag

Um 3:30 Uhr geht der Weckruf durch die kleine Zeltstadt. Nun heißt es erst einmal Wasser auf dem Gaskocher zu zubereiten, damit gefrühstückt werden kann und die Trinkflaschen aufgefüllt werden können. Eine zeitraubende Arbeit in dieser Höhe, wo die Gaskocher kaum noch Brennleistung haben. In der Zwischenzeit ziehen wir uns in dem engen Zelt schon einmal an. Warme Unterwäsche, darüber eine Schicht aus Fliesmaterial und dann der dicke Daunenanzug. Zum Schluss dann dicke Socken und die Expeditionsbergschuhe. Nach dem schnellen Frühstücken wird die restliche Ausrüstung wie Klettergurt und Steigeisen im Vorzelt angelegt. Um 4:30 Uhr stehen alle mit eingeschalteten Stirnlampen vor den Zelten. Es ist kaum zu erkennen, wer sich hinter den einzelnen Stirnlampen verbirgt. Hektisch werden die Rucksäcke aufgesetzt und dann geht es los. Zuerst kommt eine steile mit Eis durchsetzte Flanke, die zum Teil mit Fels durchzogen ist. Hier sind noch ein paar alte Fixseile vorhanden, die jedoch schon in einem bedenklichen Zustand sind.
Es folgt ein Felsband mit mehreren hohen Felstürmen an dessen Ende man eine große Schneerinne quert. Hier liegt tiefer Schnee, der vom Wind der letzten Tage in diese Rinne verfrachtet wurde. Die Beschaffenheit des Schnees ist sehr schlecht und wir kommen nur langsam voran. Nach dem Quergang führt ein über 50 Grad steiler Hang aus der Rinne heraus. Hier liegt besorgniserregender schlechter Triebschnee. Wie quälen uns verbissen den Steilhang hinauf und erreichen dann etwas flacheres Gelände. Hier ist der Schnee vom Wind fest gepresst und an den meisten Stellen trägt er das Körpergewicht recht gut. Das Gelände wird nun offener. Steilere Abschnitte wechseln sich mit flachen ab. Jetzt zieht Christoph Lafaille in einer großen Rinne in Richtung Gipfel davon. Christoph, Jochen, ich und unser Sherpa folgen ihm langsam. Nach einiger Zeit taucht dann Christoph Lafaille wieder am Ende der Rinne auf und steigt ab. Da kann der Gipfel ja nicht mehr so weit entfernt sein! Er kommt zu uns herunter und wir gratulieren ihm zu seinem Erfolg. Unser Sherpa, der zwischenzeitlich auch in Richtung Gipfel gegangen war, kommt jetzt nun auch wieder herunter.
Wir benötigen noch ca. eine Stunde, bis wir das Ende der Rinne erreichen. Dort befinden wir uns in einem kleinen Sattel innerhalb eines lang gezogenen Grates. Links von mir erheben sich einige felsige Aufbauten, von denen einer der Gipfel ist.
Ich steige hinauf auf den zweiten Turm, der offensichtlich der höchste Punkt ist. Hier sind dann auch deutlich die Spuren von Christoph Lafaille zu sehen. Nachdem ich wieder zum Sattel abgestiegen bin, kommt zuerst Olaf Zill, dann Jochen und Christoph.
Sie gehen die letzten Meter zum Gipfel und danach gratulieren wir uns gegenseitig. Christoph und Jochen steigen als Erste in der Rinne ab. Und dann passiert das Unfassbare: Christoph rutscht aus und reißt Frank Meutzner mit in die Tiefe. Sie überschlagen sich und bleiben erst ca. 600 Meter weiter unten liegen. Ich befürchte das Schlimmste! Einer von beiden bewegt sich nach kurzer Zeit wieder, der andere bleibt regungslos liegen. Wir steigen so schnell es geht hinunter zu den Gestürzten. Als wir bei ihnen eintreffen, sieht es so aus, als wenn beide unverletzt sind. Christoph zeigte Symptome von akuter Höhenkrankheit. Er taumelte immer mehr, wird immer orientierungsloser und ist zum Schluss kaum noch ansprechbar. Olaf Zill der auch mit uns abgestiegen ist, gibt ihm eine Cortison Spritze, aber sein Zustand bessert sich nicht. Gemeinsam bringen wir ihn so schnell wie möglich nach unten. Alle paar Meter müssen wir mit ihm eine Pause einlegen und auf ihn einreden, dass er weiter geht.
Wir kommen noch bis zur Steilstufe, aber hier wird klar, dass Christoph in seinem Zustand ohne Fixseil nicht über diese Stelle kommt. Über Funk forderte Jochen unseren Sherpa im Lager III an. Er soll ein Seil und Sauerstoff für den Verletzten bringen. Wir warten oberhalb der Steilstufe auf den Sherpa. Mittlerweile geht auch die Sonne unter und wir sind von dem langen Warten unterkühlt.
Als der Sherpa bei uns eintrifft, wird es bereits dunkel und der Wind hat stark zugenommen. Wir bringen das Seil an und versuchen Christoph daran abzuseilen. Er hat sich aber bereits Erfrierungen an den Händen zugezogen und konnte somit das Seil kaum noch bedienen. Durch den starken Wind ist jetzt auch die Aufstiegsspur verweht und wir haben mit der Orientierung große Probleme. Wir suchen lange nach dem richtigen Weg und dabei hat sich die Gruppe sehr weit auseinandergezogen. Einige sind schon voraus und ich mache dann hinter Christoph den Schlussmann. Gegen 24:00 Uhr bewegen sich die Stirnlampen vor mir über einen längeren Zeitraum kaum noch. Ich vermute, dass der Weiterweg in der Nacht nicht mehr gefunden werden kann und jetzt alle einen Biwakplatz aufsuchen. Ich schicke Christoph zu dem einige Meter vor uns stehenden Olaf, da er die besten medizinischen Kenntnisse hat. Nun grabe ich mir eine kleine Mulde, hole meinen Biwaksack heraus und richte mir das Notlager ein. Zu allem Übel ist mein Biwaksack in Verbindung mit dem Daunenanzug zu klein und mein Oberkörper ist dem beißenden Wind ausgesetzt. Jetzt nur nicht einschlafen und auf keinen Fall aufgeben.....

21. Mai 2003

Qualvoller Abstieg zum Lager I

Die Nacht ist eisig kalt und will einfach nicht enden. Ich merke wie ich immer weniger meine Finger bewegen kann. Dann wird es langsam hell und ich sehe jetzt, wo ich überhaupt bin. Ich sitze in einem 45 Grad steilen Eishang und muss mich jetzt für den Abstieg bereit machen. Das sagt sich aber leichter, wie es tatsächlich ist, denn mit erfrorenen Fingern die Steigeisen anzuziehen ist ein schmerzhaftes Unterfangen. Nach einiger Zeit bin ich doch auf den Beinen und nun mache ich mich auf die Suche nach meinen Bergsteigerkollegen. Niemand mehr da – was ist in der Nacht geschehen? Ich finde keine Erklärung dafür. Mir ist klar, dass ich so schnell wie möglich absteigen muss. Es sind keine Spuren mehr zu erkennen, aber ich halte mich in die Richtung des Grates zu. Nach ca. zwei Stunden komme ich an die ersten alten Seile – Erleichterung – ich habe den Weg gefunden. Mit den erfrorenen Fingern den Achter zu bedienen fällt mir unheimlich schwer, aber zum Glück beherrsche ich die Handhabung wie im Schlaf. Langsam komme ich nach unten und stehe dann gegen 8:00 Uhr vor den Zelten im Lager III. Verwunderte und gleichzeitig erleichterte Blicke erwarten mich. Alle sind erleichtert, aber die wenigsten habe wohl damit gerechnet, dass ich nach so einer Nacht noch selbstständig absteigen kann. Ich lege mich erst einmal in ein Zelt, um mich auszuruhen. Markus bringt mir etwas, zu trinken und zu essen. Es fällt mir schwer in diesem erschöpften Zustand etwas herunterzubringen und so bleibt es nicht aus, dass ich mich übergeben muss. Markus erzählt mir, dass bereits die notwendigen Rettungsmaßnahmen vom Basislager aus eingeleitet sind. Als ich Christoph in seinem schlechten Zustand sehe, erschrecke ich und kann mir gar nicht vorstellen, wie er den Abstieg über die nächsten 2000 Höhenmeter zum Basislager meistern will. Die Antwort ist banal und trifft auch für mich zu: Der Wille aus dieser Situation lebendig herauszukommen.
Alle drängen jetzt zum Aufbruch. Die Zelte werden abgebaut und die Ausrüstung in den Rucksäcken verstaut. Angelika und Markus unterstützen mich, wenn immer es notwendig scheint. Ob es ein zu strammes Fixseil ist, wo ich den Achter nicht hineinbekomme, oder die vielen aufmunternden Worte. Im Lager II machen wie nochmals eine Pause, um das Flüssigkeitsdefizit wenigsten etwas auszugleichen. Aber der Weg nach unten ist noch weit und so machen wir uns wieder weiter auf den Weg. Ab hier gibt es keine Fixseile mehr und jetzt wird mir erst bewusst, wie schlecht mein Zustand ist. Das Laufen fällt mir unsagbar schwer und ich muss immer wieder eine Pause einlegen. Das Lager II ist schon deutlich zu sehen, aber mir kommt es noch unendlich weit entfernt vor. Meine körperliche Verfassung wird immer schlechter und ich kann meinen Rucksack nicht mehr selbst tragen. Ich bitte Markus, den Rucksack an einem Seil hinter sich herzuziehen, was er auch tut. Am späten Nachmittag laufe ich total am Ende meiner Kräfte im Lager II ein. Genickstarre und Lähmungserscheinungen an meinem linken Arm bringen mich in einen Zustand, wo ich auf die Hilfe der andern angewiesen bin. Jetzt nimmt mich Karina unter ihre Obhut und versorgt mich mit Medikamenten, Essen, Trinken und Sauerstoff. In der Nacht erhole ich mich wieder etwas. Meine Gedanken sind wirr – wie geht es jetzt weiter?

22. Mai 2003

Abstieg ins rettende Basislager

Am Morgen braucht es Stunden bis Christoph und ich von den anderen Teilnehmern soweit aufgepäppelt sind, dass wir selbstständig unter Begleitung absteigen können.
Robert, Evelyne, Angelo, Harald, Sabine und Olaf steigen vom Basislager auf, um uns nach unten zu bringen. Als sie eintreffen nehmen sie uns in Empfang und wir beginnen mit dem Abstieg.
Schritt für Schritt geht es dem rettenden Basislager entgegen. Wenn das Wetter mitmacht, kann der Rettungshubschrauber uns bereits heute Nachmittag nach Kathmandu ausfliegen, berichtet Robert. Das gibt uns neuen Auftrieb und ich bündle alle meine Energie, um den Abstieg zu meistern. Die kritische Stelle unter dem Eiger überwinden wir zwar sehr langsam, aber wir schaffen es. Dort stehen dann alle noch im Basislager verweilenden Bergsteiger und Einheimische, um uns in Empfang zu nehmen.
Nach einem großen Hallo gehen wir ins Basislager und beginnen sofort mit den notwendigen Erste Hilfe Maßnahmen. Auftauen der erfrorenen Gliedmaßen war nun angesagt! Über die Schmerzen schweige ich jetzt lieber. Nun fiel allen die schwere Last von den Schultern und die Gefühle kamen zum Ausbruch. Das war unheimlich knapp und ohne einen guten Schutzengel wäre das sicher anders ausgegangen. Allen Beteiligten an der Rettung verdient ein herzliches Dankeschön für ihren selbstlosen Einsatz.
Das Wetter lässt heute keinen Rettungsflug mehr zu und so packe ich alle meine Ausrüstungsgegenstände in meine Transporttonnen, damit wir morgen früh gleich starten können. Ich rufe Zuhause an, um den aktuellen Stand zu berichten und hoffe, dass die notwendigen Maßnahmen in die Wege geleitet werden können.

23. Mai 2003

Rettungsflug nach Kathmandu

Heute Morgen hat es zu allem Übel auch noch Nebel und der blaue Himmel ist nicht zu sehen. Nach dem Frühstück begeben wir uns an den Hubschrauberlandeplatz, der in den letzten zwei Tagen vorbereitet wurde. Wir hören den Hubschrauber, können ihn aber nicht sehen. Er kreist über uns und wir glauben schon, dass er wieder abdreht. Als sich der Nebel sich lichtet, kann glücklicherweise der Hubschrauber den Moment nützen und landen. Wir (Christoph, ein Sherpa und ich) springen in den Hubschrauber und schon geht es ab.
Ein letzter Blick auf den Dhaulagiri und dann gleiten wir die Stecke hinaus, die wir bei der Anreise, in vielen Tagesetappen hinter uns gebracht haben. Auf einem Schulhof in einer kleinen Ortschaft landet der Hubschrauber dann, um zu tanken und den Copiloten wieder aufzunehmen, den er aus Gewichtsgründen hier zurückgelassen hat. Nach einer Flugzeit von ca.1,5 Stunden landen wir in Kathmandu auf dem internationalen Flughafen, wo uns die örtliche Agentur mit dem Auto abholt und in ein kleines Krankenhaus bringt. Leider war dieses Krankenhaus nicht auf Erfrierungen eingerichtet und konnte uns daher nicht weiterhelfen. Anschließend wurden wir ins Hotel gebracht.

24. Mai 2003

Wir sitzen in Kathmandu fest

Leider ist es trotz unserer Bitten nicht möglich sofort einen Rückflug nach Europa zu bekommen und so müssen wir noch einen weiteren Tag im Hotel aushalten. Für die Schönheit des Hotels haben wir keine Augen mehr. Christoph muss sich füttern lassen, da er mit seinen verbundenen Händen kein Besteck mehr halten kann. Wenigstens haben wir beide den Humor nicht verloren.

25. Mai 2003

Rückkehr nach Deutschland und der weitere Weg

Dann sitzen wir endlich im Flugzeug nach München. Als wir in München aus dem Gate kommen, ernten wir Kopfschütteln. Wie wir in diesem Zustand ohne medizinische Hilfe die Rückreise machen konnten. Unsere Frauen bringen uns umgehend in die Universitätsklinik Innsbruck, wo Prof. Dr. Biedermann bereits auf uns wartet. Er ist die einzige Kapazität in Europa, der sich seit vielen Jahrzehnten mit Erfrierungen beschäftigt. Nun waren wir in kompetenten Händen. Nein, noch viel mehr, die gesamte Abteilung der Gefäßchirurgie haben uns langsam wieder aufgepäppelt.
Ich war hier zwei Wochen zusammen mit Christoph, im gleichen Zimmer, bis ich entlassen wurde. Christoph muss noch viele weitere Wochen dort und in anderen Krankenhäusern verbringen. Für mich schlossen sich viele Wochen der ambulanten Behandlung mit täglichen Infusionen an. Krankengymnastik und mehrere Termine in der Handchirurgie in Tübingen schlossen letztendlich die Behandlung ab.

TOP