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07. Mai 2000

Gipfelversuch

Um 23:00 Uhr beginnen wir mit den Vorbereitungen für den Gipfelgang und sind um 1:00 Uhr startklar. Nach dem Verlassen des Zeltes kommt plötzlich sehr starker Wind auf und innerhalb weniger Minuten sehen wir wie Schneemänner aus. Es hilft nichts, wir müssen zurück zum Zelt. Weitere zwei Anläufe werden ebenfalls im Schneetreiben erstickt. Erst um 3:00 Uhr lässt der Wind etwas nach und wir können starten. Mühsam und langsam queren wir den Firnhang bis unterhalb des Eisbruchs, wo die Sherpas gestern 100 m Fixseil angebracht haben. Der 45° steile Aufstieg an dem Fixseil geht in dem Neuschnee nur sehr langsam voran und es beginnt bereits zu dämmern, als der erste Sherpa das Ende des Fixseils erreicht. Die Querung des aus Blankeis bestehenden Hängegletschers liegt aber noch vor uns und ist in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und des anschließenden Gipfelaufstieges kaum noch machbar. Aus diesem Grund entschließen wir uns zur Rückkehr zu unserem Lager. Nach wenigen Stunden beginnt es dann zu schneien, was dann den ganzen Tag über anhält. Erst am Abend bessert sich das Wetter wieder und wir wollen morgen einen neuen Gipfelversuch starten.

08. Mai 2000

Lager III (7800 m) - Basislager (4800 m)

Wieder beginnen wir mit den Vorbereitungsarbeiten um 23:00 Uhr. Wie sich aber herausstellt, ist nur noch ein Sherpa einsatzfähig, alle anderen fühlten sich krank. An ein Versichern des Hängegletschers in der Nacht ist gar nicht zu denken. So entschließen wir uns zu einem Abstieg ins Basislager und zu einem weiteren Versuch in ein paar Tagen. Unser abgebautes Zelt deponieren wir im Zelt der Koreaner und beginne um 7:00 Uhr mit dem Abstieg. Die mit Neuschnee bedeckten Felsen sind sehr schwierig zu begehen und erforderten die volle Aufmerksamkeit, um nicht auszurutschen. Die Abstände der Markierungsfahnen bis zum Lager II kommen wir zu groß vor, um den Weg bei widrigen Wetterbedingungen zu finden. Heute finden wir den Weg jedoch ohne Probleme. Im Lager II bläst uns ein sehr starker Wind und wir schauen, dass wir möglichst schnell absteigen.
In den Felsen und in den Firnhängen liegen jetzt 30 - 40 cm Neuschnee und der Abstieg ist sehr mühsam. Im Lager I deponieren wir die meiste Ausrüstung für den nächsten Aufstieg und setzen den Weiterweg zum ABC fort. Um 12 Uhr treffen wir dort ein und machen uns nach einer kurzen Rast zu dem beschwerlichen Abstieg über den Chago - und den Barun Gletscher zum Basislager, wo wir um 16 Uhr entkräftet eintreffen. 2800 m Abstieg und ca. 15 km Strecke hinterlassen eben doch ihre Spuren.

09. Mai 2000

Ruhetag im Basislager (4800 m)

Die letzten Tage haben viel abverlangt und so lasse ich heute etwas gemütlicher angehen. Körperpflegen und Tagebuch schreiben sind so die einzigen erwähnenswerten Dinge, die ich heute gemacht habe. Sonst bin ich die meiste Zeit in meinem Zelt geblieben und habe mich ausgeruht. Im Interview mit dem SWR – Tübingen um 18:00 Uhr berichte ich über unseren gescheiterten Gipfelversuch, war mir sehr schwerfällt. Am Abende funken mit den Sachsen, die gestern im ABC geblieben sind. Nach ihren Informationen wollen die Koreaner in drei Tagen wird einen neuen Versuch starten.

10. Mai 2000

Vorbereitungen für erneuten Aufstieg

Die Zeit am sonnigen Morgen nutze ich, um meine Ausrüstung für einen weiteren Gipfelversuch zusammenzustellen. Im Laufe des Tages gehen mehrere Telefonate ein, die uns viel Glück beim neuen Versuch wünschen. Wir hingegen rufen bei der Agentur in Kathmandu an und verlegen sicherheitshalber unseren Rückflug vom 19. Mai auf den 21. Mai, damit wir etwas mehr Zeit beim Auf- und Abstieg haben. Nach den neuesten Wetterdaten von Dr. Karl Gabl aus Innsbruck soll ab dem 12. Mai das Wetter ruhiger verlaufen und die Winde nachlassen und somit die Gipfelchancen steigen.

11. Mai 2000

Basislager - ABC (5690 m)

Kurz vor 5:00 Uhr starten wir heute vom Basislager und steigen die nun schon bekannte Route hinauf um ABC. Um 12:00 Uhr treffen wir dort eine und werden umgehend von den Sachsen zum Mittagessen eingeladen werden. Danach verschlechtert sich das Wetter und es beginnt wieder zu schneien. So verbringen wir den Nachmittag weitestgehend im Zelt und beschließen den Tag mit einem lustigen Abendessen zusammen mit den Sachen in ihrem großen Mannschaftszelt.

12. Mai 2000

ABC (5690 m) – Unfall im Lager I (6600 m) - ABC (5690 m)

Wir wollen sicherheitshalber unser Zelt im ABC mit nach oben nehmen und warten mit dem Zeltabbau, bis die Sonne gegen 7:30 Uhr unser Zelt erreicht. Den Rest unsere Ausrüstung deponieren wir bei den Sachsen und beginnen dann mit dem anstrengenden Aufstieg hinauf zum Depot. In dem Neuschnee muss wieder eine neue Spur angelegt werden, was wieder viel Kraft kostet. Die Sachsen sind schon vor uns gestartet und übernehmen die Spurarbeit bis zum Depot. Von dort übernehmen Peter und ich die Spurarbeit. Die erneut aufziehenden Wolken sehen heute besonders bedrohlich aus und wir sind über die Wetterentwicklung sehr beunruhigt. Um 13:00 Uhr treffen wir dann im Lager ein und beginnen mit dem Schmelzen von Wasser.

Dann gegen 16 Uhr passiert das Unfassbare:

Gerade als ich aus dem Zelt schaue und Peter vor dem Zelt mit Fotografieren beschäftigt ist, fällt plötzlich der Kocher mit einem 3-Liter-Kochtopf voll mit kochendem Wasser um. Er fällt aber nicht so um, dass sich das Wasser in das Vorzelt ergießt, sondern in das Innenzelt und dabei direkt über meinen rechten Oberschenkel. Hektisch versuche ich mir die nasse Hose vom Leib zu reißen, aber das geht in einem engen Zelt nicht so schnell. Nachdem die Hose endlich ausgezogen ist, sehe ich das Ausmaß der Verbrühungen. An mehreren Stellen hängt die Haut bereits in Fetzen herunter und der ganze Oberschenkel ist feuerrot. Die Schmerzen steigern sich immer weiter, bis ich in einen Schockzustand verfalle und sich meine Finger so verkrampfen, sodass ich sie zu nichts mehr benutzen kann.
Die Sachsen eilen zu unserem Zelt und versuchen mir zu helfen. Nachdem sie das Ausmaß der Verletzung erkennen, funken sie hinunter zum vorgeschobenen Basislager, wo sich die Ärztin Elisabeth gerade befindet und holten sich dort Rat.
„Wundabdeckung und Gabe von starken Schmerzmitteln mit anschließendem sofortigem Abstieg" lautete die Anweisung.
Nach der Einnahme des Schmerzmittels lässt zwar der Schmerz nach, aber ich bin nicht mehr in der Lage, selbstständig zu entscheiden. Obwohl ich Peter mehrmals darum bitte hier oben zu bleiben, besteht er darauf mich herunterzubringen. Beim Abstieg achtet er immer darauf, dass ich keinen Fehler mache und so erreichen wir das vorgeschobene Basislager noch vor Dunkelheit. Dort wartet bereits Elisabeth auf uns und hat alles für die weitere Behandlung vorbereitet. Zuerst bekomme ich eine weitere Dosis Schmerzmittel gespritzt und danach wird die Wunde fachgerecht verbunden. Immer wieder ist mein Kreislauf kurz vor dem Zusammenbruch und Elisabeth hat voll zu tun, damit ich überhaupt noch etwas trinken und essen kann. Danach falle ich in einen tiefen Schlaf.

13. Mai 2000

ABC (5690 m) – Notabstieg in Basislager (4800 m)

Am Morgen geht die Prozedur mit erneutem Spritzen von Schmerzmittel und anschließendem Abstieg zum Basislager weiter. Der Abstieg über den mit Felsbrocken übersäten Gletscher gestaltet sich nun besonders anstrengend und schmerzhaft. Als wir im Basislager angekommen zeigte sich, dass der Verband diese Strapazen nicht überstanden hat und verrutscht ist. Entsprechend sieht jetzt die Wunde aus. Schnell noch etwas essen und dann geht es mit der Behandlung weiter. Wieder eine Spritze mit Schmerzmittel und dann kann die Operation im Feldlazarett beginnen. Zuerst werden die störenden Haare aus dem Wundbereich entfernt, danach die tote Haut in langwieriger Kleinarbeit entfernt. Ohne örtliche Betäubung fordert die Aktion gewisses Durchhaltevermögen. Glücklicherweise hat Elisabeth einen Satz keimfreier "Werkzeuge" dabei, sodass sie sich so richtig entfalten kann. Während der Operation verirrt sich auch noch ein Vogel in das Zelt und sorgt für große Aufregung, bis er hinausbefördert werden kann. Nach der Operation sieht es im Zelt dann wie nach einer Großoperation aus und die Atmosphäre ist eher etwas für Leute mit starken Nerven. Ich bis allerdings so mit Schmerzmittel vollgestopft, dass ich nicht viel mitbekomme. Das spricht für Elisabeth, die ihr Handwerk als Narkoseärztin sehr gut versteht. Anschließend muss ich in einer ausgiebigen Schlafeinheit erst einmal das Schmerzmittel wieder abbauen.
Peter hat sich in der Zwischenzeit um den Hubschrauberrückflug gekümmert. Da aber heute Samstag ist, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die erforderliche Genehmigung über das Wochenende besorgt werden kann.

14. Mai 2000

Vorbereitungen für den Rückflug

Es ist fantastisches Wetter und wir bereiten alles für den Rückflug nach Kathmandu vor. Ich könnte im Boden versinken über so ein Missgeschick, das mit dem Bergsteigen absolut nichts zu tun hat. Am späten Nachmittag kommt dann die Nachricht über das Satellitentelefon, dass morgen der Hubschrauber im Basislager eintreffen soll.

15. Mai 2000

Rückflug und Transfer nach Kathmandu

Um 6:00 Uhr stehen wir startklar am Hubschrauberlandeplatz und warten auf das Eintreffen des Hubschraubers. Dann um 7:30 schwebt der Hubschrauber auf uns zu. Schnell verladen wir alles und dann hebt er ab mit einem unbeschreiblichen Ausblick auf die Bergriesen Makalu, Everest, Lhotse und Ama Dablam. Bei den Gedanken, dass heute der Gipfeltag der Sachsen und Koreaner ist, sind meine Gefühle zwiespältig. Zum einen bin ich traurig, dass wir unsere Arbeit nicht zu Ende bringen und heute am Gipfel stehen können und zum anderen möchte ich so schnell wie möglich in eine Klinik in Deutschland, um nach meiner Wunde sehen zu lassen.
Nach 30 Minuten überfliegen wir Lukla, von wo aus wir vor 4 Wochen ins Basislager geflogen sind. Einige Minuten später landen wir in einem kleinen Ort und setzen von hier die Weiterreise mit einem Kleinbus nach Kathmandu fort. Nach 5 Stunden Fahrtzeit sind wir in Kathmandu im Hotel. Ich rufe gleich in Deutschland an und versuche einen Termin in Hautklinik in Tübingen zu bekommen.

16. Mai 2000

Einkäufe in Kathmandu

Zuerst bringe ich 150 Postkarten zur Post, die nun wirklich eine lange Reise hinter sich haben. Im Anschluss kaufe ich noch ein paar Geschenke in der näheren Umgebung vom Hotel, da ich nicht allzu weit gehen kann. Von Deutschland bekomme ich am späten Nachmittag die Bestätigung, dass ich am 18. Mai einen Termin in der in Hautklinik in Tübingen habe. Ein nettes Abendessen beim Schwager von Peter beschließt den letzten Tag in Nepal.

16. Mai 2000

Rückflug nach Deutschland

Um 6:00 Uhr fahren wir vom Hotel zum Flughafen. Die Waage am Flughafen ist defekt und so müssen wir auch nichts für unser Übergepäck bezahlen. Das Boarding zieht sich allerdings sehr in die Länge und so hebt die Maschine mit zwei Stunden Verspätung ab. Die Zwischenlandung in Dubai ist mit 15 Minuten ultrakurz und zum Einkaufen bleibt keine Zeit.

Nachspann

Am darauffolgenden Tag bin in dann in der Klinik in Tübingen und lasse den Verband in mühevoller Kleinarbeit wieder herunterschälen.
Die Ärzte sind sehr zufrieden mit dem Zustand der Wunde und loben die Arbeit der Expeditionsärztin. Bereits 4 Tage später ist die Wunde so weit verheilt, dass die Erfolgschancen zu einer baldigen Heilung sehr gut sind.

Danksagung

Besonderen Dank möchte ich meinem Freund Peter Guggemos aussprechen, der mich in aufopfernder Weise nach dem Unfall ins Basislager gebracht hat und somit auf den Gipfel verzichtet hat!
Bedanken möchte ich mich auch bei der Expeditionsärztin Elisabeth Eulerich, die mich mit ihrem hilfsbereiten und kompetenten Handeln vor weiteren Schäden bewahrt hat und die Voraussetzung für einen schnellen Heilungsprozess geschaffen hat.

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