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Beitragsseiten

Pik Pobeda (Dschengisch Tschokusu) (7439 m) 2006 Tagebuch 

22.07.2006

Flug Frankfurt nach Almaty

Wie geplant erreiche ich gegen 10:30 Uhr den Flughafen in Frankfurt. Nach dem Check-in startet die Lufthansa Maschine pünktlich um 12:00 Uhr zu ihrem Direktflug nach Almaty. Der lange aber ruhige Flug endet nach Mitternacht mit einer sanften Landung in Almaty in Kasachstan.
Almaty liegt im Südosten des zentralasiatischen Staates unweit der Grenze zu Kirgisistan und war bis 1997 die Hauptstadt des unabhängigen Kasachstan. Noch heute ist Almaty das kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Zentrum des Landes mit Universitäten und zahlreichen Sakralbauten, Museen und Theatern. Besonders sehenswert sind die Christi-Himmelfahrt-Kathedrale und die Nikolaus-Kathedrale.
Ein Bus, der örtlichen Trekking Agentur bringt mich, zusammen mit einer weiteren Reisegruppe zum Hotel, welches sich im Ortszentrum befindet.

23.07.2006

Busfahrt von Almaty nach Karkara

Heute steht die 280 km lange Fahrt nach Karkara, eine entlegene Zeltstadt für die Bergsteiger und Bergwanderer, auf dem Programm.
Gleich nach dem Frühstück kaufe ich 110 Briefmarken in der Hotelhalle für meine Grußpostkarten. Allerdings kann ich trotz intensiver Bemühungen nur etwa die Hälfte der Postkarten vor der Abfahrt des Busses mit den Briefmarken versehen. Die bringe ich noch zu Post, den Rest der Postkarten kann ich leider erst nach meiner Rückkehr nach Almaty auf die Reise schicken.
Das ist verschmerzbar. Was mir viel mehr im Magen liegt, ist meine Ausrüstung, die ich schon Wochen zuvor mit Cargo vorausgeschickt habe und es jetzt kaum noch erwarten kann, sie zu Gesicht zu bekommen. So fiebere ich dem Eintreffen des Agenturvertreters entgegen, der die ersehnten Gepäckstücke bringen soll. Nach geraumer Zeit betritt der Agenturmitarbeiter die Hotelhalle, allerdings ohne meine Ausrüstung. Ich bin irritiert aber er versichert mir, dass die Ausrüstung bereits in Karkara eingelagert ist. Es bleibt mir nichts anderes übrig als es zu glauben. Sollte hier etwas fehlen, wäre die gesamte Expedition gefährdet.
Wenig später sitzen wir in einem kleinen Bus und meine Gedanken werden auf die vorbeifliegende Landschaft gelenkt. Je näher wir an die Grenze von Kirgisistan kommen um so eindrucksvoller und gewaltiger wir die Bergkulisse des Tianshan-Gebirges. Die Formalitäten am Grenzübergang gestalten sich langwierig und sind für mich an einem so entlegenen Außenposten nicht nachvollziehbar. Die Stimmung in der kleinen Reisegruppe ist toll und so vertreiben wir uns die Wartezeit mit allerlei Erzählungen. Gleich nach der Grenze geht die Straße stetig nach oben und um 17:00 Uhr erreichen wir das wunderschön gelegene Bergsteigerlager in Karkara. Das Lager besteht aus einer Kantine und mehreren Lagerhallen sowie 30 – 40 Hauszelten für die Bergsteiger, inmitten von saftigen Wiesen und einer sanften Hügellandschaft.
Mein Bergführer Dimar Pavlenko begrüßt mich bei der Ankunft. Ein durchtrainierter, erfahrener und netter Extrembergsteiger, der bereits die Makalu-Westwand Erstdurchstiegen hat. Wir verstehen uns sofort, auch wenn die Verständigung mit Englisch etwas mühsam ist. Mein sehnsüchtig erwartetes Gepäck ist vollständig und unbeschädigt im Lagerhaus. Jetzt kann die Expedition beginnen, was der sagenhafte Sonnenuntergang eindrücklich bekräftigt.

24.07.2006

Akklimatisation in Karkara

An die Zeitumstellung hat sich mein Körper noch nicht gewöhnt und so wache ich viel zu früh auf. Die Zeit bis zum Frühstück verbringe ich mit lesen und Tagebuch schreiben. Das Frühstück ist im Gegensatz zu den Expeditionen in Nepal eher bescheiden. Nachdem ich meine zwei Tassen Kaffee getrunken habe, packe ich meinen Rucksack und unternehme mit Dimar eine Akklimatisierungstour auf eine nahe gelegene Anhöhe. Nach der Rückkehr am Nachmittag unterhalte ich mich noch lange mit der Trekking Gruppe des DAV Summit Club, die mit mir gestern in Karkara eingetroffen ist.

25.07.2006

Flug von Karkara zum Basislager (4030 m)

Der Start des Hubschraubers verzögert sich immer wieder, bis er gegen 8:00 Uhr abhebt und in Richtung Pik Pobeda fliegt. Im Inneren der MI 08 ist es wie immer sehr laut und eine Unterhaltung ist nur durch Schreien möglich. Dafür ist der Blick auf das Panorama des Tianshan-Gebirges aus über 4000 Meter Flughöhe gewaltig. Wir nähern uns immer mehr den Khan Tengri und den Pik Pobeda und ich bin fasziniert von den gewaltigen Dimensionen. Der Hubschrauber folgt nun dem nördlichen Inylchek-Gletscher bis zum Fuße des Khan Tengri, wo das Basislager „Nord-Enilcek" liegt. Bergsteiger, die den Khan Tengri als Ziel haben, steigen hier aus. In den 90er Jahren führte die übliche Besteigungsroute über den südlichen Enilcek Gletscher bis zu den Schneehöhlen zwischen Csepajer (6120 m) und der Gipfelflanke von Khan Tengri. Heutzutage ist die Route von der Nordseite mehr favorisiert, nachdem es auf der Südroute viele Todesopfer durch Eisschlag gegeben hat.
Ich nutze den kurzen Stopp, um ein paar Bilder von der Aufstiegsroute zu machen. Der Hubschrauber hebt jetzt wieder ab und bringt uns zu unserem Basislager „Süd-Enilcek", welches in 4030 m Höhe liegt.
Der Lagerleiter empfängt uns freundlich und zeigt uns unser Zelt. Wir richten uns zunächst erst einmal häuslich ein und gehen danach noch ein Stück in Richtung Khan Tengri, um uns an die neue Höhe zu gewöhnen. Beim Abendessen macht die Meldung über einen tödlich verunglückten Bergsteiger am Khan Tengri die Runde. Dimar soll bei der morgigen Bergung mithelfen. Ich plane erst einmal einen Ruhetag ein.

26.07.2006

Ruhetag im Basislager (4030 m)

Eine englische Trekkinggruppe wird heute vom Hubschrauber abgeholt und so ist bereits am frühen Morgen ein Stimmengewirr im sonst eher trostlosen Basislager zu vernehmen. Immer wieder wird die Nachricht verbreitet, dass der Hubschrauber bald eintrifft. Letztendlich ist das unverwechselbare Geräusch des MI17 aber erst gegen Mittag zu hören. Mit lautem Getöse schwebt er ein, bringt ein paar neue Trekker und Bergsteiger mit und entschwindet kurz darauf mit den Engländern. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt ist, stelle ich meine Ausrüstung für den morgigen ersten Aufstieg zum Lager I zusammen. Das Ziel ist wie immer, möglichst geringes Gewicht zusammenzubekommen und doch alles Wichtige dabei zu haben. Tatsächlich sind es dann aber doch über 20 kg die mein Rucksack auf die Waage bringt. Irgendwie werde ich den Rucksack schon von der Stelle bringen, obwohl ich für diese Höhe noch nicht ausreichend akklimatisiert bin.
Gegen Abend ziehen dunkle Wolken auf und es beginnt zunächst, zu regnen. Nach kurzer Zeit werden aus den Regentropfen dicke Schneeflocken und im Nu ist das Basislager mit einer Schneedecke überzogen. Jetzt kommt der Trumpf dieses Basislagers zum Einsatz: die kleine Sauna. Gut aufgeheizt verschwinde ich nach dem Saunagang in meinem Schlafsack und schlafe tief und fest.

27.07.2006

Aufstieg vom Basislager in Richtung Lager I

Als wir am Morgen aus dem Zelt schauen, schneit es immer noch und es ist ungewiss, ob wir heute überhaupt aufbrechen können. Erst nach dem Frühstück lassen die Niederschläge nach und wir entscheiden uns für den Aufbruch. Zunächst führt der Weg immer entlang der Moräne und die Wegefindung ist relativ einfach. Das ändert sich jedoch sehr schnell, als wir auf den Gletscher queren. Hier sind keine Markierungsfahnen vorhanden und so irren wir immer wieder auf dem riesigen Gletscher umher, ohne wirklich eine Strecke zurückzulegen. Zu allem Übel fängt es erneut an zu schneien und wir sehen unter diesen widrigen Bedingungen keine Möglichkeit, vor Einbruch der Dunkelheit das Lager I zu erreichen. Wir entscheiden uns für den Rückweg zum Basislager, was im Schneetreiben schon genug Herausforderung darstellt. Wenn es das Wetter zulässt, möchten wir Morgen den Weg zum Lager I mit Markierungsfahnen ausstatten, damit der Route auch bei schlechten Bedingungen gefunden werden kann.

28.07.2006

Markierungsarbeiten auf dem Weg zum Lager I (4450 m)

Der Schneefall hat in der Nacht aufgehört und so starten wir zusammen mit drei tschechischen Bergsteigern am frühen Morgen vom Basislager in Richtung Lager I. Über die Moräne bis zu unserem Umkehrpunkt auf dem Gletscher kommen wir zügig voran. Der weitere Weg über den zerklüfteten Gletscher ist jedoch schwierig zu finden und das Setzen der Markierungsfähnchen erfordert zusätzlich Zeit. Bis wir unseren Platz für das Lager I in 4450 m erreichen, vergehen tatsächlich 7 Stunden. Der Lagerplatz liegt in gebührendem Abstand zum gewaltigen Eisbruch und den steilen Nordwänden des Pik Pobeda. Immer wieder donnern gewaltige Lawinen aus der Nordseite des Pik Pobeda zu Tal und man ist gut beraten, sich in der Gefahrenzone so kurz wie möglich aufzuhalten. Unsere tschechischen Bergsteigerkollegen beginnen am späten Nachmittag mit dem Versichern des steilen Eisbruches, der den Durchschlupf zum Lager II bildet. Es ist die entscheidende Schlüsselstelle am Fuße des Berges, die überwunden werden muss, um zum Lager II zu gelangen. Am Abend schneit es erneut wieder und ich bin froh, dass ich in meinem warmen Schlafsack liege.

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29.07.2006

Abstieg von Lager I zum Basislager (4030 m)

Als ich am frühen Morgen aus dem Zelt sehe, liegen etwa 15 cm Neuschnee. Nur gut, dass wir den Weg zum Basislager mit Markierungsfähnchen versehen haben, sonst wäre unser geplanter Abstieg zum Basislager schnell ausgefallen. So aber schlängeln wir uns mit nahezu leeren Rucksäcken durch den zerklüfteten Gletscher und erreichen das Lager nach 4 anstrengenden Stunden. Nach einem guten Mittagessen sieht die Welt dann wieder ganz anders aus und schnell sind die Strapazen vergessen. Vor allem, nachdem heute Morgen eine Trekkinggruppe aus Sachsen eingetroffen ist und ich die Konversation wieder in meiner Muttersprache betreiben kann. Der Gesprächsstoff geht uns bis spät in die Nacht hinein nicht aus, was dazu führt, dass ich erst nach Mitternacht in meinem Schlafsack liege.

30.07.2006

Ruhetag im Basislager (4030 m)

Der Tag beginnt mit einem Traumwetter und der Hubschrauber, der die Trekkinggruppe aus Sachsen abholt, trifft wie erwartet ein. Nach dem Abschied von meinen Landsleuten ist die Anzahl der Gesprächspartner, mit denen ich mich in Deutsch oder Englisch unterhalten kann stark geschrumpft. Aber was soll's ich bin zum Bersteigen hier hergekommen und nicht um nette Gesprächsrunden abzuhalten. So konzentrieren Dimar und ich uns am Nachmittag darauf, die Ausrüstung für den nächsten Aufstieg zusammenzustellen. Ziel ist es das Lager II und III einzurichten. Wie nicht anders zu erwarten sind die Rucksäcke prall gefüllt und viel zu schwer. Aber es hilft nichts, wir benötigen die Ausrüstung und Verpflegung, wenn wir mehrere Tage unterwegs sein wollen.

31.07.2006

Aufstieg vom Basislager zum Lager I (4450 m)

Der erneute Aufstieg zum Lager I in 4450 Meter Höhe geht nun schon erheblich schneller vonstatten, nachdem die Akklimatisation sich deutlich verbessert hat. Allerdings haben sich zwischenzeitlich unterhalb von Lager I kaum sichtbare und damit heimtückische Seen unter dem Schnee gebildet. Natürlich bleibt es nicht aus, dass auch ich richtig tief in den grundlosen Schnee einsinke und meine Schuhe sich mit Wasser füllen. Zum Glück scheint den ganzen Tag die Sonne und ich kann nach Ankunft im Lager I meine Schuhe wieder trocknen.

01.08.2006

Durch den Eisbruch zum Lager II (4900 m)

Um 3:00 Uhr verlassen wir das Lager und steigen hinauf zum Eisbruch. Gespenstisch erhebt sich eine fast 80 m hohe, zum Teil senkrechte Eiswand vor uns. Ohne die Vorarbeit unserer tschechischen Bergsteigerkollegen, die etwa 100 Meter Fixseil angebracht haben, wäre überhaupt nicht daran zu denken, hier hochzukommen. Aber selbst mit dieser Hilfe ist mir nicht klar, wie ich diese Steilstufe mit einem 25-kg-Rucksack überwinden soll. Unter Zuhilfenahme von Yumar und Trittschlingen gelingt es mir dann doch, diesen Abschnitt zu überwinden. Geschafft...
Nach dem steilen Eisbruch führt der Weg durch ein beeindruckendes Eis-Labyrinth mit sehr tiefen Spalten. Die zugeschneiten Spalten haben ihre Tücken und wir steigen mit hoher Aufmerksamkeit durch diesen Abschnitt. Der weitere Aufstieg führt durch ein flaches Gletscherbecken zum Lager II, das sich in 4900 Meter Höhe unterhalb des Dihiy-Paßes befindet. Das Lager II ist windgeschützt in einem Kessel, alle höher gelegenen Lager sind dem nahezu permanent sehr starken Wind ausgesetzt.

02.08.2006

Kraftraubender Aufstieg zum Lager III (5700 m)

Bei sehr schönem Wetter wühlen wir uns durch den grundlosen Schnee hinauf zum Dihiy-Paß und anschließend über mehrere bis zu 45 Grad steile Aufschwünge zum Lager III in 5700 Meter Höhe. Als wir dort ankommen, sind wir völlig ausgepowert und müssen zunächst eine Erholungspause einlegen, bevor wir mit dem Bau der Schneehöhle beginnen.
Dimar zeigt mir, wie man eine geräumige Schneehöhle baut und auf was man zu achten hat. Wir befördern riesige Schneemengen aus der Schneehöhle, bis der Innenraum die gewünschte Größe hat. 4 Stunden harte Arbeit waren notwendig um die Höhle fertigzustellen. Zumindest wird es einem in dieser Zeit nicht kalt, das ist sicher. Wir richten uns den Innenraum so wohnlich wie nur möglich ein. Es gibt eine große ebene Schlaffläche, eine Kochnische und einen geräumigen Vorraum, wo man sich an und ausziehen kann.

03.08.2006

Schneetreiben verhindert einen Abstieg von Lager III (5700 m)

In der Nacht beginnt es zu schneien und ein starker Wind lässt die Sicht auf wenige Meter schrumpfen. An einen Abstieg ist unter diesen Bedingungen nicht zu denken und so verbringen wir den Tag in der Schneehöhle. Für mich ist es ein bedrückendes Erlebnis, den ganzen Tag im Dunkeln zu sein. Dafür kann der Sturm uns nichts anhaben, was im Moment sicherlich das Wichtigste ist. Allerdings muss der Eingang in regelmäßigen Abständen freigeschaufelt werden, damit die Frischluftzufuhr gesichert ist.

04.08.2006

Der Schneesturm will nicht aufhören (5700 m)

Die anhaltenden Schneefälle lassen den Neuschneezuwachs in bedenkliche Höhe klettern. Trotz der akuten Lawinengefahr besteht für die Schneehöhle keine Gefahr. Ein Abstieg ist aber bereits jetzt zu riskant und so vertreiben wir uns die Zeit damit, den Schnee vom Eingangsbereich zu schaufeln und zu kochen. Meine Hoffnung liegt darin, dass sich die Akklimatisation mit jedem weiteren Tag in dieser Höhe verbessert, obwohl wir körperlich nicht sonderlich viel tun. Dimar war bereit wenige Tage zuvor auf dem Khan Tengri und ist somit erheblich besser akklimatisiert als ich.

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05.08.2006

Abstieg vom Lager III ist nicht möglich (5700 m)

Am Morgen schneit es immer noch und jetzt liegt bereits über 1 Meter Neuschnee. Selbst im Basislager wird per Funk eine Schneehöhe von 50 cm gemeldet, was uns den Ernst der Lage verdeutlicht. Am Nachmittag stellt sich dann eine Wetterbesserung ein und wir hoffen sehr, dass morgen der Abstieg möglich ist.

06.08.2006

Gefährlicher Abstieg vom Lager III

Am frühen Morgen beginnen wir mit dem Abstieg. Wir sichern uns mit dem Seil, um bei einem Lawinenabgang nicht in die Tiefe gerissen zu werden. An den Steilstücken sind die Schneemassen glücklicherweise bereits durch Selbstauslösung abgegangen und so ist zumindest dort die Gefahr etwas entschärft. In 4 Stunden wühlen wir uns hinunter bis zum Lager II (4600 m). An ein Weiterkommen in dem tiefen Schnee ist heute nicht zu denken und so verbringen wir die kommende Nacht hier. Wir hoffen, dass morgen früh die Schneedecke gefroren ist und wir dann ohne allzu große Kraftanstrengung absteigen können.

07.08.2006

Langer Weg zurück in Basislager

Um 3:00 Uhr machen wir uns für den Aufbruch bereit. Es ist noch Dunkel und so steigen wir das erste Stück mit Stirnlampen ab. Durch den nächtlichen Frost hat sich ein tragfähiger Deckel über dem Schnee gebildet und wir kommen zügig voran. Schneller als wir gedacht haben erreichen wir die Spaltenzone. Hier warten wir sicherheitshalber, bis es hell wird, um nicht in einen der schwarzen Abgründe zu stürzen. Der Weiterweg durch den Eisbruch bis zur Abseilstelle ist äußerst schwierig zu finden und so sind wir froh, als tschechischen Bergsteiger zu uns stoßen. Diese Bergsteiger hatten die Abseilstelle vor Tagen eingerichtet und so ist die Suche nach der besagten Stelle erheblich einfacher. Dort angekommen überprüfen wir die Fixierung der Seile, bevor wir in der luftigen Passage abseilen. Alle sind ersichtlich erleichtert, als wir unten ankommen und die durch Eisschlag gefährdete Zone verlassen haben. Im Lager I angekommen machen wir uns erst einmal einen Tee, bevor wir uns auf den langen Weg zum Basislager begeben. Auch auf dem frisch verschneiten Gletscher ist die Wegefindung äußerst schwierig, nachdem unsere Markierungen kaum noch zu erkennen sind. Wie bestellt kommen uns auf der halben Wegstrecke zum Basislager mehrere Bergsteiger entgegen und wir können von da an in ihrer Spur absteigen. Als wir die Moräne erreichen verschlechtert sich das Wetter erneut und wir sehen beim Eintreffen im Lager aus wie Schneemänner.

08.08.2006

Erholung im Basislager (4030 m)

Nach einer erholsamen Nacht ist am Morgen das Wetter wieder sehr schön und der Hubschrauber bringt eine neue Trekkinggruppe. Die Neuankömmlinge werden freundlich begrüßt und im Anschluss werden die neuesten Nachrichten ausgetauscht. Ich nutze den schönen Tag, um meine nasse Ausrüstung zu trocken und für den nächsten Aufstieg in Ordnung zu bringen. Am späten Nachmittag ist alles wieder fein säuberlich aufgeräumt in meinem Zelt. Der heutige Abend wird zu einem feucht fröhlichen Beisammensein erkoren, bei dem erhebliche Mengen Wodka getrunken werden und zur späten Stunde die Stimmung sehr ausgelassen ist.

09.08.2006

Musikalischer Abend im Basislager (4030 m)

Ausruhen und Lesen sind heute meine Aktivitäten. Erst am Nachmittag kommt dann richtig Leben ins Basislager. Mehrere bekannte Bergsteiger sind heute Morgen angekommen und die feiern ihr Wiedersehen mit musikalischen Darbietungen, die dann mehr oder weniger schön bis zum nächsten Morgen andauern.

10.08.2006

Rucksack wird für den Gipfelanstieg gepackt (4030 m)

Am Morgen beginnen wir mit dem Zusammenstellen der Ausrüstung für unseren Gipfelanstieg. Immer wieder wird der Rucksack auf den Kopf gestellt, da einfach nicht die ganze Ausrüstung darin Platz finden will. Nach mehreren Anläufen ist dann doch alles für die 10-tägige Tour im Rucksack untergebracht. Das Gewicht der Rucksäcke pendelt sich zwischen 25 und 30 kg ein. Zum Abschluss gehen wir am Abend noch in die Sauna und schlafen danach sehr tief.

11.08.2006

Langer Weg über den Gletscher zum Lager I (4450 m)

Der Weg zum Lager I ist uns in der Zwischenzeit schon sehr gut vertraut, aber die schweren Rucksäcke plagen uns sehr. Wir gehen langsam, damit wir unsere Energie nicht schon hier unten verbrauchen. Als wir im Lager ankommen, schmerzt mein Rücken, und ich bin froh mich hinlegen zu dürfen.

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12.08.2006

Durch den Eisbruch zum Lager III (5700 m)

Wieder fordert der steile Eisbruch den vollen Einsatz, um ihn zu überwinden. Es handelt sich um drei Seillängen, wobei die erst Seillänge zum Teil im überhängenden Gelände verläuft. Nach der Steilstufe führt dann ein Hochtal zum Lager II. Hier ist der Schnee hart und wir kommen ohne allzu große Kraftanstrengung bis zum Dihiy-Paß. Der weitere Aufstieg entlang der Nordrippe ist anstrengend und wir müssen immer wieder eine Pause einlegen. Aber dann ist es geschafft und wir stehen vor unserer Schneehöhle, dessen Eingang zugeweht ist. Mühevoll schaufeln wir den Eingang frei und freuen uns über unsere windgeschützte Schneehöhle. Eine tolle Abendstimmung mit einer guten Fernsicht lässt uns auf gutes Wetter für die kommenden Tage hoffen.

13.08.2006

Schwieriger Aufstieg im Fels zum Lager IV (6400 m)

Steiler Fels (3-4 Grad) und steile Firnhänge wechseln sich bei der heutigen Etappe ab. Die in der Route vorhandenen Seile sind in einem dermaßen schlechten Zustand, dass sie nicht benutzt werden können. Dimar und ich sichern uns gegenseitig mit unserem eigenen Seil und können damit sicherstellen, nicht aufgrund eines Seilrisses in die Tiefe zu stürzen. Als wir in 6400 m Höhe an einem geeigneten Lagerplatz ankommen, schneit es bereits und der Wind hat Sturmstärke. An unserem vorgesehenen Lagerplatz hat es aber zu wenig Schnee um eine Schneehöhle zu bauen und so stellen wie unser Zelt hinter einer Schneemauer auf. Wir können das Zelt bei dem Sturm kaum noch verlassen, aber weitere Bergsteiger gehen an unserem Zelt vorbei und steigen weiter nach oben. Dimar überlegt sich, ob wir auch nochmals losgehen sollten. In Anbetracht des starken Schneefalls entscheiden wir, uns jedoch im Zelt zu bleiben.

14.08.2006

Aufstieg im Sturm zum Lager V (6900 m)

Am Morgen ist der Sturm immer noch zu stark, um weiter aufzusteigen. Gegen Mittag lässt der Wind etwas nach und wir setzen unseren Aufstieg weiter fort. Unmittelbar hinter unserem Lagerplatz führt der Aufstieg im steilen Fels (4-5 Grad), nach oben.
Danach folgen steile Firnfelder, die vor dem anhaltenden Wind keinen Schutz bieten. So bleibt es nicht aus, dass Dimar und ich am Abend Erfrierungen im Gesicht haben. Die schweren Rucksäcke, die technischen Schwierigkeiten und der starke Wind fordern alle unsere Kräfte, um den Westgipfel zu erreichen. Hinter dem Westgipfel müssen wir noch ca. 500 Meter dem Grat folgen, bis wir dann in einer kleinen Scharte, eine Schneehöhle bauen können. Die Zeit ist schon fortgeschritten und so ist unsere Schneehöhle erst gegen 23 Uhr bezugsfertig. Das Wetter verschlechtert sich zusehends und an einen Gipfelanstieg am morgigen Tage ist im Moment nicht zu denken.

15.08.2006

Sturm im Lager V (6900 m)

Die ganze Nacht stürmt und schneit es und unser Eingang in die Schneehöhle ist komplett mit Schnee gefüllt. Der Sauerstoffgehalt ist zwischenzeitlich schon so weit gesunken, dass unser Gasbrenner nicht mehr in Gang gesetzt werden kann. Wir befreien den Eingang von den Schneemassen und vergrößern den Innenraum im Laufe des Tages.

16.08.2006

Ausharren im Lager V (6900 m)

Wieder besteht keine Möglichkeit, die Höhle zu verlassen. Die Zeit in der dunklen aber sicheren Schneehöhle will nicht vergehen und das Liegen bereitet schon die ersten Schwierigkeiten. Auch am Abend ist keine Wetterbesserung in Sicht.

17.08.2006

Abgeschnitten von der Außenwelt im Lager V (6900 m)

Jetzt ist das Warten unerträglich und ich habe bereits die ersten Albträume. Die Träume drehen sich um den nicht mehr möglichen Abstieg aus dieser Hölle. Nein, es sind nicht nur die Träume, sondern ich mache mir ernsthafte Sorgen, wie es weiter gehen soll.

18.08.2006

Wetterbesserung ist in Sicht im Lager V (6900 m)

Unter nüchterner Betrachtung müsste ein sofortiger Abstieg begonnen werden. Leider ist das nicht möglich bei dem vorherrschenden Sturm. Erst am Nachmittag bessert sich das Wetter und sofort sind die Gedanken wieder beim Gipfelaufstieg. Wir stellen uns daher auf einen Aufstieg ein.

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19.08.2006

Aufstieg in Richtung Gipfel

Um 1 Uhr stehen wir auf und bereiten alles uns für den Aufstieg vor. Eine Stunde später stehen wir vor der Höhle und beginnen mit dem Aufstieg auf dem 4 km langen Grat. Mir fällt heute jeder Schritt schwer und Dimar mahnt mich mehrmals das nötige Tempo einzuhalten, damit wir die lange Etappe bewältigen. Langsam wird es hell und eine wunderbare Berglandschaft offeriert sich. Ich kann aber diese einmalig schönen Bilder nicht genießen, ich quäle mich ungemein und ich bemerke, wie es in meiner Lunge brodelt. Was ist das, schießt es mir durch den Kopf! Schnell wird mir klar, dass alle Symptome auf ein Lungenödem hindeuten. Jetzt muss schnell gehandelt werden und der Entschluss zur Umkehr wird gefasst. So eine Situation hatte ich noch nie, ich muss umdrehen, weil ich körperlich nicht mehr kann. Waren die Albträume von einer Rettungsaktion bereits die Vorboten auf dieses Ereignis?
Jetzt muss ich meine Energie auf den Abstieg konzentrieren. Nur noch langsam komme ich voran hinunter zum Lager V. Ich bitte Dimar, eine Hubschrauberbergung von Lager V zu organisieren. Leider sind die Piloten nicht dazu bereit, obwohl es im Moment noch windstill ist.
Dimar sichert mich im Abstieg zum Lager IV Seillänge für Seillänge und wir kommen recht gut voran, obwohl es mir sehr langsam vorkommt. Im Lager III machen wir eine Pause und Dimar versucht eine Hubschrauberbergung vom Lager II zu organisieren. Allerdings wieder ohne Erfolg.
Uns wird in Aussicht gestellt, dass vom Lager I einen Hubschrauberflug möglich ist. Wir erreichen total erschöpft das Lager II gegen 18 Uhr und fallen nach dem Abendessen in einen Tiefschlaf.

20.08.2006

Abstieg durch den Eisbruch zum Basislager (4030 m)

Wir sind so erschöpft, dass wir verschlafen. Als wir unser Zelt abbauen, kommen vier tschechische Bergsteiger vorbei die uns ein Teil unseres Gepäcks abnehmen. So geht es wenigsten einigermaßen gut voran. Als wir im Lager I noch einmal nach dem Hubschrauber fragen bekommen wir wieder eine Absage. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als doch zu Fuß abzusteigen. Wir erreichen das Basislager wieder bei Schneefall. Das Küchenpersonal hat uns ein richtiges Festmahl zubereitet, was wir in unserem ausgemergelten Zustand hastig verzehren. Nach einem ausgedehnten Saunagang sieht die Welt schon wieder ganz anders aus und wir bekommen neue Energie. Ausgerechnet an diesem Tag gibt es im Basislager nichts mehr zu trinken und so können wir unsere Rückkehr nicht feiern.

21.08.2006

Die Ausrüstung wird für den Rückflug gepackt

Nachdem ich die ganze Nacht von einem schrecklichen Husten geplagt werde, hat mich der Arzt am Morgen untersucht und mir Antibiotika verpasst, damit ich keine Lungenentzündung bekomme. Es bestätigt sich der Verdacht auf ein Lungenödem. Am Nachmittag trockne ich meine Ausrüstung und verpacke diese für den morgigen Rückflug.

22.08.2006

Rückflug nach Karkara

Gegen 10 Uhr holt uns der Hubschrauber ab und nach 45 Minuten landen wir in Karkara. Die Saison ist zwischenzeitlich vorüber und somit das Lager menschenleer. Üblicherweise sind hier im Lager mehr als 100 Bergsteiger. Ich möchte einen Tag früher zurück nach Almaty fahren, damit ich noch eine Stadtbesichtigung machen kann, und buche das bei der örtlichen Agentur. In der wolkenlosen Nacht kommt ein starker Sturm auf und rüttelt die Zelte heftig durch. An einen geruhsamen Schlaf ist nicht zu denken.

23.08.2006

Abschied von Dimar Pavlenko

Dimar fliegt am Morgen zurück zum Khan Tengri, um dort seinen im Vorjahr begonnenen Alleingang zu vollenden und wir verabschieden uns herzlich voneinander. Ich danke ihm für seinen selbstlosen Einsatz, mich aus meiner lebensbedrohlichen Situation zu retten. Ohne ihn wäre ein Abstieg für mich nicht möglich gewesen.
Den Abschluss meiner Expedition und somit auch der letzte Aufenthaltstag am Berg nutze ich damit meinen Freunden, Bekannten und Sponsoren Grüße per Postkarte zu senden.

24.08.2006

Almaty

Die sechsstündige Fahrt mit einem Kleinbus über staubige Straßen bringt mich zurück in die Zivilisation. Ich bin in einem guten Hotel in Almaty und habe endlich ein Bett, nach 4 Wochen schlafen auf einer 1,5 cm dicken Isomatte - ein Himmelreich!
Das Abendessen, an einem schön gedeckten Tisch mit Ambiente und angenehmer Atmosphäre nach so langen Entbehrungen zu speisen, ein Genuss.

25. August 2006

Stadtbesichtigung und Rückflug

Der letzte Tag dieser Reise wird durch eine Stadtbesichtigung durch Almaty abgerundet. Nach dem Frühstück holt mich die deutschsprachige Reiseführerin vom Hotel ab und ein Fahrer bringt uns im chaotischen Stadtverkehr von einer Sehenswürdigkeit zu der anderen. Zum Schluss besuchen wir noch das völkerkundliche Museum. Hier ist das Leben und Wirken der Bevölkerung in den zurückliegenden Epochen mit vielen Exponaten sehr anschaulich dargestellt. Nach dem Abendessen bringt mich ein Fahrzeug zum Flughafen. Der Flug geht direkt von Almaty nach Frankfurt und verläuft nach Plan.

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