• 7000   Header 01
  • 7000   Header 02
  • 7000   Header 03

Beitragsseiten

Spantik 1988 - Tagebuch

18.06.1988

Startabbruch wegen Triebwerkschaden

Aufgeregt überprüfe ich am Morgen nochmals meine Ausrüstung und die Reisepapiere. Alles ist vorhanden und so steige ich wenig später mit meinem prall gefüllten Seesack in den Zug nach Frankfurt. Während der Fahrt beschäftigen mich viele offenen Fragen und es stellt sich ein ungutes Gefühl in der Magengegend ein. Was erwartet mich in Pakistan? Wie komme ich mit der Höhe zurecht? Wie harmoniert die Gruppe?
Bis dato war mein höchster Berg der Montblanc, den ich zusammen mit meinem Partner Hartmut Weber, auf verschiedenen Routen mehrmals bestiegen habe. Die schwierigste Route war zweifelsohne der Peuterey Integral. Er beinhaltet die Gratüberschreitung der Aig. Noire, S-Grat mit dem Abstieg über die NW-Kante sowie die Umgehung der Dames Anglaises und den Weiterweg zum Mont Blanc. Es ist der längste kombinierte Gratanstieg in den Alpen, für den wir damals drei Tage benötigten.
Nach zwei Stunden Fahrtzeit treffe ich an unserem vereinbarten Treffpunk am Flughafen ein. Glücklicherweise sind bereits mehrere Teilnehmer unserer Gruppe vor Ort und so löst sich meine Anspannung. Ein letzter Anruf zuhause und dann begeben wir uns mit dem umfangreichen Gepäck zum Schalter der Fluggesellschaft. Dort beginnt ein Feilschen, wie viel wir für das Übergepäck zu zahlen haben. Nach einigem hin und her kann unser Expeditionsleiter dem Personal glaubhaft machen, dass der Veranstalter dafür vorab Sonderkonditionen vereinbart hat. Das Gepäck ist schließlich aufgegeben und zwei Stunden später sitzen wir im Flugzeug. Wir rollen zur Startbahn und der Pilot beginnt mit den Startvorbereitungen. Er gibt Vollgas und die Maschine beschleunigt, dann plötzlich wird der Startvorgang abgebrochen und wir werden in die Sicherheitsgurte gedrückt. Was ist los? Wir verlassen die Startbahn und kehren zum Terminal zurück. Angeblich gibt es Probleme mit einem Triebwerk und so müssen wir das Flugzeug wieder verlassen. Wir warten eine Stunde in der Wartehalle, dann wir der Flug gestrichen und ein Bus bringt uns in das nahe gelegene Hotel Plaza. Es ist sicher ein schönes Hotel, aber so habe ich mir den Start der Reise nicht vorgestellt.

19.06.1988

Ankunft in Islamabad

Um 9:00 Uhr werden wir mit dem Bus zum Flughafen gebracht. Das Triebwerk wurde in der Nacht repariert und so können wir gegen Mittag in Richtung Pakistan starten. Unsere Gruppe sitzt in einer Reihe und so gibt es im Laufe des achtstündigen Fluges viel zu erzählen. Mehrere Teilnehmer haben die Berge in Asien bereits aus der Nähe gesehen, für mich ist es allerdings Neuland und ich bin sehr gespannt, was mich erwartet. Den Expeditionsleiter Herbert Streibel kenne ich bereits von meiner Fachübungsleiterausbildung und erhoffe mir dadurch einen guten Einstieg in das Expeditionsbergsteigen.
Gegen 22:00 Uhr landen wir in Islamabad und werden dort mit Temperaturen um die 40 °C konfrontiert. Das Warten auf unser Gepäck in der heißen Halle des Flughafens wird schnell zur Qual. Nach zwei Stunden können wir endlich das Flughafengebäude verlassen und werden mit einem Bus zum Pearl Continental Hotel in Rawalpindi gebracht. In diesem tollen Hotel steigen üblicherweise nur die Reichen ab und mit unseren Bergsteigerklamotten kommen wir uns etwas deplatziert vor.

20.06.1988

Besorgungen in Islamabad

Wir sind einen Tag im Zeitplan hinterher und so müssen heute möglichst schnell die notwendigen Behördengänge erledigt werden. Neue Vorschriften verlangen weitere Dokumente mit Passbildern, die wir zunächst bei einem Fotografen angefertigten lassen müssen. Nachdem alle notwendigen Dokumente ausgestellt sind, fahren wir zum Postamt um Briefmarken für unsere Postkarten zu kaufen. Allerdings ist die von uns benötigte Anzahl von Briefmarken mit dem entsprechenden Porto nicht vorrätig und so müssen bis zu drei Briefmarken auf jede Postkarte geklebt werden. Wegen der Behördengänge ist es uns nicht mehr möglich, die Schah-Faisal-Moschee im Nordwesten der Hauptstadt Islamabad zu besichtigen. Wir beschließen den Abend mit einem gemeinsamen Abendessen im Pearl Continental Hotel.

21.06.1988

Flug nach Skardu (2316 m)

Für heute ist gutes Wetter vorhergesagt und so fahren wir um 5:00 Uhr zum Flughafen um einen Flug nach Skardu zu bekommen. Sehr häufig erlaubt das Wetter jedoch keinen Flug und man muss über den Karakorum-Highway in einer sehr anstrengenden Busfahrt die nahezu 800 km hinter sich bringen. Die örtliche Agentur schleust uns mit dem überdimensionierten Gepäck an den Kontrollen vorbei und ruckzuck sitzen wir im Flugzeug. Werden wir vom Flugzeug aus den Nanga Parbat sehen? Es kommt noch viel besser, wir dürfen ins Cockpit und können von dort aus den „Schicksalsberg der Deutschen“ in Augenschein nehmen.

Nanga Parbat (8125 m) der neunthöchste Berg der Erde.
Am Ende des westlichen Himalaya im nördlichen, pakistanisch kontrollierten Teil von Kaschmir gelegen, ist er die größte sichtbare, freistehende Massenerhebung der Erde. Der Höhenunterschied zum 25 km entfernten Industal (und Karakorum Highway) beträgt etwa 7000 m. Die gegen Süden gelegene Wand (Rupal-Flanke) ist mit 4500 m die höchste Gebirgswand der Erde. Der Berg besteht hauptsächlich aus Graniten und Gneisen. Je nach Wetterbeschaffenheit wird er auch als der Berg der Bläue bezeichnet. Klimatisch ist er in eine thermische Doppelzone eingebettet. (Wikipedia)

Ich bin fasziniert von der Größe dieses Berges und es ist für mich nicht vorstellbar, wie Herman Buhl am 3. Juli 1953 den Gipfel erreichen konnte. Bei traumhaftem Wetter landen wir in Skardu der Hauptstadt der Region Baltistan.

Baltistan ist eine Region und eine Division im pakistanisch verwalteten Teil des Kaschmirgebietes. Hauptort ist Skardu. Die gebirgige Region liegt zwischen Karakorum und Himalaya und bildet administrativ eine der drei Agencies des Sonderterritoriums unter Bundesverwaltung Gilgit-Baltistan, das früher als Nordgebiete (Northern Areas) bezeichnet wurde. Das Gebiet erstreckt sich über die folgenden fünf Täler: Skardu, Khaplu, Shigar, Kharmang und Rondu. (Wikipedia)

Skardu ist der zentrale Ausgangspunkt für die meisten Expeditionen und Trekkingtouren im Karakorum. Auf dem Markt werden jegliche Expeditionsausrüstungen angeboten und es besteht durchaus noch die Möglichkeit hier das ein oder andere für die Expedition zu erstehen, wenn es erforderlich ist. Vom Flughafen werden wir mit Jeeps zum wunderschön gelegenen Shangrila Hotel, etwas außerhalb der Stadt gelegen, gebracht. Die meisten Bergsteiger ziehen das zentraler gelegene K2 Hotel in der Stadt vor, aber dafür entschädigt die Hotelanlage mit einem kleinen See und imposanten Rosenbeeten inmitten der Steinwüste.

22.06.1988

Akklimatisationstag in Skardu (2316 m)

Unser Begleitoffizier verspätet sich und so wird unter Berücksichtigung der zahlreichen Flussquerungen die Entscheidung getroffen, erst morgen früh bei Niedrigwasser mit den Jeeps zu starten. Eine weise Entscheidung, nachdem die meisten Teilnehmer mit Magenproblemen kämpfen und sich der Verdauungstrakt erst einmal an das Wetter, Belastung und das fremdartige Essen gewöhnen müssen. So unternehmen wir am Morgen einen Stadtbummel in Skardu und wandern am Nachmittag zu einem nahen gelegenen malerischen See.

TOP


23.06.1988

Mit dem Jeep nach Doko (2400 m)

Bereits um 4:00 Uhr werden wir geweckt und nach einem kargen Frühstück warten wir vor dem Shangrila Hotel, bis alle Ausrüstungsgegenstände in die Toyota-4x4-Jeeps verstaut sind. Kurz nach 6:00 Uhr drängen die Fahrer zur Abfahrt, damit sie die reißenden Bäche noch bei niedrigen Wasserständen durchfahren können. Naturgemäß ist das am frühen Morgen am ehesten möglich, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht so viel Schmelzwasser von den Gletschern herunterkommt. Die wilde Fahrt durch das fruchtbare Tal des Shigar-Flusses ist mit meinen Magenproblemen kein Genuss.
Zunächst fahren wir im Shigar-Tal nach Nordwesten und nach etwa 70 km Fahrt erreichen wir den Durchbruch des Süd-Braldu durch diese Gebirgskette. Der vom Chogo Lungma-Gletscher kommende Basha-River mündet hier in den Shigar. Die dort liegende Ortschaft Mango bietet die Gelegenheit zu einer Frühstückspause. Mir ist jedoch nicht nach Essen und so begnüge ich mich mit einem Kaffee.
Die Qualität der Offroadstraße entlang des Basha-Rivers wir zusehends schlechter und wir kommen nur noch langsam voran. Mehrere heikle Flussbettdurchquerungen fordern das ganze fahrerische Können der Fahrer und uns steht so manche Schweißperle auf der Stirn. Nach 6 Stunden Fahrzeit erreichen wir in Ortschaft Doko, wo die mehr oder weniger befestigte Straße an einer nicht fertiggestellten Brücke endet. Etwas außerhalb dieser Ortschaft bauen wir unsere Zelte auf und werden am Abend das erste Mal von unserer Küchenmannschaft bekocht.

24.06.1988

Trekking nach Arandu (2770)

Die hohen zu erwartenden Tagestemperaturen veranlassen uns zu einem frühzeitigen Aufbruch an unserem ersten Trekking Tag. Die Zeit zum Wecken wird daher auf 4:00 Uhr festgelegt. Allerdings vergehen zweieinhalb Stunden, bis wir gefrühstückt haben und die Zelte abgebaut sind. Der Tross aus ca. 60 Trägern, Küchenmannschaft und uns Teilnehmern setzt sich dann langsam in Bewegung und schon nach kurzer Zeit legen die Träger ihre kurzfristigen Sprints ein, um nach kurzer Zeit wieder eine Rast einzulegen. Diese Art von Gehen ist für uns nicht sehr sinnvoll und wir gehen unser eigenes Tempo. Auf dieser Tagesetappe durchqueren wir noch zwei tosende Bäche im knietiefen und eiskalten Wasser. Unverkennbar sind wir im Karakorum, wo es nicht über jeden Bach eine Brücke gibt. Nie zuvor war ich in einer solch wilden Landschaft unterwegs! Kurz nach Mittag erreichen wir die Ortschaft Arandu, unser heutiges Tagesziel. Unser Lagerplatz bietet keinerlei Schatten und so ist es bei annähernd 45 °C fast unerträglich heiß. Sobald die Küchenmannschaft ihre Küche betriebsbereit hat, werden wir mit Tee, Kaffee und Kekse versorgt. Ich bin überwältigt von dem fantastischen Bergpanorama und zugleich schockiert über die schlechte medizinische Versorgung der Bevölkerung. Neben Wundbrand, eiternden Wundern, Verstümmelungen und Augenleiden ist alles vorhanden. Unwillkürlich stellt sich bei mir ein flaues Gefühl in der Magengegend und ich verzichte vorsorglich auf das Abendessen.

25.06.1988

Trekking zum Lager Bukhum (3300m)

Unseren Lagerplatz verlassen wir gegen 6:00 Uhr und gehen zuerst durch das wunderschöne
Dorf Arandu. Nach 45 Minuten erreichen wir den über 45 km langen Chogo Lungma-Gletscher, den wir im Anschluss das erste Mal überqueren. Unser Weg führt uns dann entlang des Gletschers auf der mit schöner Vegetation bewachsenen Seitenmoräne. Gegen 12:30 Uhr erreichen wir unser erstes Camp Bukhum. Trotz vieler guter Worte sind die Träger nicht bereit, heute noch bis zum nächsten Camp weiterzugehen. Es bleibt uns daher nichts Anderes übrig, als hier die kommende Nacht zu verbringen.

26.06.1988

Trekking zum Lager bei Khurumal (3500m)

Wie am vorangegangenen Tag starten wir um 6:00 Uhr vom Lager und wandern überwiegend auf der Seitenmoräne des Chogo Lungma-Gletschers weiter. Das Wetter ist sehr schön und wir können den Blick auf den Spantik beim Laufen genießen. Der Lagerplatz bei Khurumal ist sehr sandig und am Abend zieht hohe Schichtbewölkung auf und kündigt möglicherweise eine Wetterverschlechterung an.

27.06.1988

Trekking zum Lager bei Bolocho (3800 m)

Bei unbeständigem Wetter verlassen wir den Lagerplatz gegen 6:00 Uhr. Nach fünf Stunden erreichen wir den neuen Lagerplatz bei Bolocho bei leichtem Regen. Nach dem Mittagessen steigen wir zur besseren Akklimatisation auf einem Berg hinter dem Lagerplatz hinauf bis zu einer Höhe von 4600 m Höhe. Das Wetter bessert sich am Nachmittag wieder und es heiter etwas auf.

28.06.1988

Trekking zum Basislager (4350 m)

Wieder starten wir gegen 6:00 Uhr vom Lagerplatz und sind dann die ganze Etappe auf dem riesigen, mit Schutt übersät Gletscher unterwegs. Immer wieder müssen wir auch große Spalten umgehen und haben leider keine gute Sicht auf unseren Berg. Es ist bewölkt mit einigen sonnigen Abschnitten, die am Nachmittag in Regen übergehen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir glücklicherweise schon das Basislager erreicht und sitzen in unseren Zelten.

29.06.1988

Materialtransport zum Depot (4800 m)

Den heutigen Tag nutzen wir trotz des schlechten Wetters für einen Materialtransport zum Lager I. In der Nacht gab es ein Gewitter und anhaltenden Regen. Erst am Morgen haben die Niederschläge etwas nachgelassen und es regnet jetzt nur noch leicht. Gleich nach dem Basislager führt die Route über steile Grashänge zu einem Felsgrat (I-II) sowie Schrofen und kleinere Schneefelder. Den Platz für unser Lager I erreichen wir bei dem heutigen Schneetreiben nicht. Wir deponieren unsere mitgebrachte Ausrüstung von jeweils etwa 15 kg in Seesäcken in 4800 m Höhe und steigen danach möglichst schnell zurück zum Basislager, wo wir um 14:00 Uhr eintreffen.

TOP


30.06.1988

Materialtransport zum Lager I (5100 m)

Das Wetter hat sich gebessert und wir wollen heute das Depot auf dem Weg zum Lager I auflösen und weiteres Material vom Basislager zum Lager I bringen. Gegen Mittag erreichen wir den Platz für das Lager 1 (5100 m) an einem großartigen Logenplatz auf dem Südostgrat hinter zwei höckerförmigen Erhebungen. Alle Teilnehmer die noch genügende Kraft habe gehen noch einmal hinunter zum Depot und bringen das dort gelagerte Material hinauf zum Lager I. Um 15 Uhr ist alles Material im Lager I deponiert und wir steigen nach diesem anstrengenden Arbeitseinsatz in Basislager ab. Nach einem guten Abendessen geht es uns wieder besser und wir vereinbaren morgen einen Ruhetag einzulegen.

01.07.1988

Ruhetag im Basislager (4350 m)

Am Ruhetag ist herrliches Wetter und wir sitzen hier im Basislager. Mit dem Frühstücken lassen wir uns Zeit und packen im Anschluss die Rucksäcke für einen möglichen Aufstieg zum Gipfel. Wenn alles nach Plan läuft, wollen wir zwischendurch nicht mehr ins Basislager absteigen, sondern das Lager I soll als vorgeschobenes Basislager verwenden.

02.07.1988

Aufstieg zum Lager I (5100 m)

Wie geplant steigen wir am Morgen bei bestem Wetter hinauf zum Lager I. Dort bauen wir zunächst die Zelte auf und errichten auf der Westseite eine hohe Schneemauer um die Zelte bei Sturm zu schützen. Nach getaner Arbeit studieren wir den Weiterweg. Zunächst werden wir dem langen flachen Abschnitt des Südostgrats mit vielen Auf- und Abstiegen bis zur Firnflanke folgen. Im Anschluss erfolgt der Aufstieg in der bis zu 45° steilen Firnflanke bis zu dem deutlich sichtbaren Felsrücken im oberen Teil der Flanke. Oberhalb dieser Felsformation ist es vermutlich etwas flacher, sodass wir nach Möglichkeit dort unser Lager II hinstellen werden.

03.07.1988

Materialtransport zum Depot (5900 m)

Um 4:00 Uhr ist heute die Nachtruhe zu Ende und wir beginnen mit dem Wasserkochen und Frühstücken. Für viele Teilnehmer ist das Kochen im Hochlager noch ungewohnt und so können wir erst zweieinhalb Stunden später vom Lager starten. Auf dem flachen Teil des Südostgrates kommen wir zunächst gut voran, dann trägt allerdings der harte Deckel über dem Schnee nicht mehr und wir brechen immer wieder hüfttief ein. Sich immer wieder mit dem schweren Rucksack zu befreien kostet viel Kraft und wir kommen nur noch langsam voran. In der Firnflanke ist die Schneebeschaffenheit dann wieder gut. Die Flanke wird aber immer steiler und wir müssen Fixseile anbringen damit ein sicherer Auf- und Abstieg möglich ist. Das kostet Zeit und irgendwann sind unser Fixseile auch aufgebraucht. An dieser Stelle deponieren wir die mitgebrachten Ausrüstungsgegenstände in einem Seesack und beginnen mit dem Abstieg zum Lager I. Durch die Erwärmung der Sonnenstrahlung ist die Tragfähigkeit der Schneedecke auf dem flachen Südostgrat weiter gesunken und wir können diese Passage nur noch auf allen Vieren hinter uns bringen. Aber auch diese Taktik hilft nur bedingt und alle paar Meter versinke ich bis über die Hüfte im Schnee. Es zermürbt und kosten unendlich viel Kraft sich immer wieder zu befreien. Frustriert und abgeschlagen erreiche ich das Lager I um 17:00 Uhr. Am Abend ziehen von Westen neue Wolken herein und wir können uns wieder auf einen Wetterumschwung einstellen.

04.07.1988

Materialtransport zum Lager II (6150 m)

Um 6:00 Uhr starten wir mit weiteren Fixseilen und Hochlagerausrüstung zum Lager II. Der Weg ist uns bekannt und am Morgen ist die Spur von gestern noch gut tragfähig. Wir kommen gut voran und erreiche unser Depot noch am Vormittag. Wir Versichern den weiteren Aufstieg zum Lager II mit Fixseilen und stellen ein Zelt in 6150 m Höhe auf, wo es nicht ganz so steil ist. Wir steigen dann noch zwei Mal hinunter zu unserem Depot in 5900 m Höhe und bringen die restliche Ausrüstung hinauf zum Lager II. Am Nachmittag zieht ein dickes schwarzes Wolkenband herein und am Abend sind schwere Gewitter um uns herum, die zudem ergiebigen Schneefall bringen.

05.07.1988

Warten im Lager I (5100 m)

Heute ist das schlechteste Wetter, seit wir unterwegs sind. Den ganzen Tag gewittert und schneit es. Bei solchen Wetterbedingungen zu dritt im Zelt zu sein belastet die Motivation. Wir versuchen aber das Beste daraus zu machen und muntern uns immer wieder gegenseitig auf.

06.07.1988

Ratlosigkeit im Lager I (5100 m)

Am frühen Morgen schneit es immer noch und so müssen wir unseren geplanten Aufstieg ins Lager II nochmals verschieben. Erst gegen 8:00 bessert sich das Wetter etwas und es gibt nur noch seltene Schneeschauer. Die vielen nicht ungefährlichen Gewitter, die in den letzten 24 Stunden über uns hinweggezogen sind, haben die Stimmung im Lager nach unten gezogen.
Zusätzlich hinken wir unserem vorgesehenen Zeitplan hinterher und brauchen jetzt dringend ein Schönwetterfenster damit wir noch eine Change auf den Gipfel haben.

Um dieser bedrückenden Stimmung zu entgehen, bringe ich ein paar Fakten zu Papier:

Zwei Teilnehmer haben es vorgezogen im Basislager zu bleiben. Möglicherweise war ihnen der Aufstieg zum Lager I zu steil oder zu ausgesetzt.

Die durchschnittlichen Aufstiegszeiten sind wie folgt:
vom Basislager zum Lager I = 4 Stunden
vom Lager I zum Lager II = 5 Stunden

An meiner Ausrüstung sind ein paar Schwachstellen, welche ärgerlich sind, aber keinen Hinderungsgrund darstellen zum Gipfel zu gehen:

Der Gummirand der Garmaschen, die über den ganzen Schuh gehen, sind eingerissen und ich habe sie mit einer Naht fixiert.
Meine neuen steigeisenfesten Schuhe lösen sich langsam auf. Die Zunge ist mehrfach eingerissen und das Gelenk an meinem linken Schuh hat den Innenschuh aufgerieben, was letztlich zu einer Blase am Fuß geführt hat.

Die Thermoskanne ist am Deckel undicht und ich habe sie mit Klebeband behelfsmäßig abgedichtet.

TOP


07.07.1988

Aufstieg zum Lager II (6150 m)

Um 4:00 Uhr klingelt der Wecker und wir schauen zunächst nach dem Wetter. Ein eisiger Wind und Schneetreiben macht es uns unmöglich zu diesem Zeitpunkt zu starten. Herbert entscheidet daher weitere zwei Stunden im Schlafsack zu bleiben und dann zu schauen, wie sich das Wetter entwickelt. Tatsächlich lassen die Niederschläge und der Wind nach und so verlassen wir das Lager I um 8:00 Uhr. Unsere Spuren zum Lager II sind, wegen des anhaltenden Schneefalls fast nicht mehr zu erkennen. Allerdings hat der starke Wind den Schnee vom Grat weggeblasen und wir kommen ganz gut voran. Unser Fixseile in der steilen Firnflanke erleichtern uns den Aufstieg erheblich und wir erreichen unserem Zelt in Lager II gegen 14:00 Uhr. Zunächst schaufeln wir mühsam zwei weitere Plattformen für unsere Zelte heraus. Nachdem die Zelte gut fixiert sind, beginnen wir mit den Vorbereitungen für unseren morgigen Aufstieg in Richtung Gipfel. Dazu werden oberhalb des Lagers nochmals 200 Meter Fixseil angebracht, damit diese steile und mit mehreren Spalten durchzogene Passage sicher überwinden zu können. Am Abend ist der Wind immer noch recht stark, aber die Wolken sind weitgehend verschwunden und so wird morgen das Wetter hoffentlich auch gut sein. In der Nacht ist es dann mit etwa -20 Grad richtig kalt und ich bin froh einen guten und warmen Schlafsack von Marmot zu besitzen.

08.07.1988

Die 8. Besteigung des Spantik (7027 m)

Um 1:00 Uhr beginnen wir mit den Vorbereitungen und verlassen das Lager um 3:30 Uhr. Es ist mit etwa -30 Grad sehr kalt und ein starker Wind verschläft die Situation zusätzlich. Aber es ist ein wolkenloser Morgen und wir kommen dank der am Vortag angebrachten Fixseile einigermaßen zügig voran. Schon nach kurzer Zeit habe ich eiskalte Finger und Zehen und ich fiebere den Zeitpunkt entgegen, wo uns die ersten Sonnenstrahlen wärmen. Als es langsam hell wird, präsentiert sich uns eine Gebirgslandschaft, wie ich sie zuvor noch nie gesehen habe. Das gibt mir einen zusätzlichen Motivationsschub und ich will auf jeden Fall den Gipfel erreichen. Wir müssen jetzt noch mehrere steile Rampen überwinden und erreichen dann den Gipfelaufbau. Dort lehnt sich das Gelände etwas zurück und wir erreichen das recht große Gipfelplateau. über den wir zum höchsten Punkt kommen. Wir fallen uns in die Arme und ich kann es kaum glauben, wir stehen um 11:00 Uhr am Gipfel des 7027 m hohen Spantik. Mein erster hoher Berg außerhalb Europas und der ist über 2000 Meter höher, als ich je zuvor war. Der Mont Blanc mit 4810 Meter Höhe war mein höchster Berg, den ich zuvor bestiegen habe. Zudem ist es erst die 8. Besteigung dieses Berges was meine Gefühlsausbrüche noch verstärkt.
Bei einer fantastischen Fernsicht reicht der Blick von Nanga Parbat über Haramosh, Laila, Malubiting, Diran, Batura und Rakaposhi bis zu den höchsten Gipfeln des Pamir und zentralen Karakorum mit K2 und Broad Peak.
Trotz vieler technischer Probleme mit meiner Kamera gelingen wir einige gute Bilder vom Gipfel und nach dem obligatorischen Gruppenbild beginnen wir mit dem Abstieg. Um 15:00 Uhr sind wir wieder im Lager II und beginne sofort mit dem Zubereiten von Teewasser um das Defizit an Flüssigkeit auszugleichen. Das Wetter ist auch am Abend gut und so genießen wir die herrliche Aussicht von unserem Zelt, bevor wir uns in unsere Schlafsäcke zurückziehen.

09.07.1988

Mit schwerem Gepäck zurück zum Lager I (5100 m)

Erst als die Sonnenstrahlen das Zelt erreichen und sich im Innern eine angenehme Temperatur eingestellt hat verlassen wir heute den Schlafsack. Nach dem spärlichen Frühstück bauen wir die Zelte ab und verstauen alle in unsere Rucksäcke. Mein Rucksack ist zu schwer, um in allein aufzusetzen und ich muss mir dabei helfen lassen. Es werden wohl annähernd 30 kg sein die ich auf meinem Rücken habe. Zum Glück gibt es auf dem Weg zum Lager I nicht allzu viele Gegenanstiege und so bin ich guter Dinge, dass ich es irgendwie schaffen werde. Gegen 11:00 Uhr sind wir startklar und beginnen mit dem Abstieg. Nach dreieinhalb Stunden treffen wir geschafft aber überglücklich im Lager I ein. Das Wetter ist nach wie vor gut und so können wir die herrliche Aussicht von unserer Aussichtkanzel genießen. Über Funk vereinbart Herbert mit unserm Sirdar den morgigen Aufstieg unserer pakistanischen Basislagermannschaft, damit wir morgen möglichst viel Ausrüstung herunterbringen können.

10.07.1988

Rückkehr in Basislager (4350 m)

Nach unserem letzten Frühstück im Lager I beginnen wir mit dem Abbau der Zelte und pünktlich wie vereinbart treffen unser drei pakistanischen Helfer gegen 11:00 bei uns ein. Das Gepäck wir so gut es geht gleichmäßig verteilt und dann beginnen wir mit dem Abstieg zum Basislager. Vor allem die Felspassagen sind mit den schweren Rucksäcken heikel und erfordern die volle Aufmerksamkeit. Wir kommen aber alle gesund und zufrieden im Basislager an und lassen uns dort mit gutem Essen verwöhnen.

11.07.1988

Materialrücktransport vom Lager I (5100 m)

Gegen 6:00 Uhr begeben wir uns nochmals auf dem Weg zum Lager I. Es war uns gestern nicht gelungen, die gesamte Ausrüstung herunterzubringen. Bei herrlichem Wetter ist es ein entspannter Ausflug, von dem wie gegen Mittag mit der restlichen Ausrüstung zurückkehren.

12.07.1988

Ruhetag im Basislager (4350 m)

Heute ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Ruhetag. Den verbringen wir mit Unterhaltung, essen und nichts tun. Erst am späten Nachmittag packe ich meine Ausrüstung zusammen, da wir morgen früh das Basislager verlassen werden.

13.07.1988

Trekking zum Lager bei Khurumal (3500 m)

Um 6:00 Uhr ist heute die Nacht vorbei und sofort nach dem Frühstück wird das Basislager abgebaut und die gepackten Seesäcke für die Träger bereitgestellt. Die treffen gegen 8:00 Uhr bei uns ein und wir starten kurz darauf in Richtung Bolocho über den Chogo Lungma-Gletscher. Nach der etwas mühsamen Querung des Bolocho Gletschers geht es entspannter entlang der Seitenmoräne des Chogo Lungma-Gletscher zum Lagerplatz bei Khurumal. Für diese Distanz benötigen wir sieben Stunden. Am Abend ist es mit dem schönen Wetter wieder mal vorbei, es trübt sich ein und in der Nacht regnet es.

TOP


14.07.1988

Trekking nach Arandu (2770 m)

Um 7:00 Uhr verlassen wir unseren Lagerplatz und folgen der Seitenmoräne des Chogo Lungma-Gletschers. Es ist regnerisch und die Berge verstecken sich den ganzen Tag in den Wolken. Kurz vor Arandu muss der Chogo Lungma-Gletscher ein letztes Mal überquert werden und dann lassen wir den langen Gletscher hinter uns.

15.07.1988

Trekking nach Doko (2400 m)

Wir verlassen das Lager zur selben Uhrzeit wir gestern, aber das Wetter hat sich weiter verschlechtert. Die Niederschläge sind intensiver als gestern und nach der Durchquerung der zwei tosenden Bäche, bei denen wir schon bei der Anreise erhebliche Probleme hatten, kommen wir gegen Mittag völlig durchnässt in Doko an. Am Nachmittag setzt dann ergiebiger Dauerregen ein und wir machen uns ernsthafte Sorgen, ob morgen die Straßen noch befahrbar sind.

16.07.1988

Wilde Fahrt nach Skardu (2316 m)

Bis gegen 4:00 Uhr heute Morgen hat es nicht nur geregnet, sondern es hat gegossen und so ist es nicht verwunderlich, dass unsere Jeeps nicht bis Doko durchkommen. Kurzerhand haben wir zwei Schlepper organisiert, mit dem wir mehrere Stunden unterwegs sind und schließlich an einem Bachbett gestoppt werden. Hier ist kein Durchkommen mehr möglich und das ganze Gepäck muss von Einheimischen über den tosenden Bach getragen werden. Wir sind kaum auf der anderen Seite des Baches, da kommen unsere Jeeps angefahren und wir können mit ihnen die Weiterfahrt nach Skardu fortsetzten. Ein sehr aufreibendes Erlebnis, das selbst nach einer 7000er Besteigung noch nervenaufreibend ist. Völlig verdreckt und nass erreichen wir das Shangrila Hotel außerhalb der Stadt Skardu. Nach einer Dusche und einer guten Tasse Kaffee sieht die Welt aber wieder besser aus. Ja, wir habe es geschafft! Wir sind auf dem Berg gestiegen und sind jetzt wieder zurück in der Zivilisation.

16.07.1988

Ratlosigkeit im Shangrila Hotel in Skardu (2316 m)

Langsam bessert sich das Wetter und die Sonne kommt wieder zum Vorschein. Allerdings sind in den letzten vier Tagen alle Flüge nach Islamabad gestrichen worden und die Karakorum Highway ist auch unpassierbar. Mehr Verbindungen existieren nicht und so müssen wir ausharren, selbst, wenn wir unseren Rückflug verpassen sollten.

17.07.1988

Abenteuerliche Fahrt auf dem Karakorum-Highway

Auch heute Morgen werden alle Flüge nach Islamabad abgesagt und so entscheiden wir uns dazu, es mit dem Bus über die Karakorum Highway zu versuchen.

Der Karakorum-Highway ist eine internationale Fernstraße, die Kaschgar in der Provinz Xinjiang (Westchina) mit Havelian im Nordwesten Pakistans verbindet. Die Straße führt auf 1284 km durch landschaftlich und kulturell sehr vielseitige Gebiete, entlang der Gebirge des Pamir, Karakorum, Himalaya und teilweise des Hindukusch und ist im Winter nicht befahrbar.

Der Karakorum-Highway führt am Achttausender Nanga Parbat vorbei. Der höchste Punkt der Strecke wird mit 4693 m am Khunjerab-Pass erreicht, der auch die Grenze zwischen Pakistan und China markiert. Der Karakorum-Highway ist somit die höchstgelegene Fernstraße der Welt.

Der Karakorum-Highway wurde gemeinsam von China und Pakistan innerhalb von circa 20 Jahren erbaut und im Jahre 1978 fertiggestellt. Der Bau stellte aufgrund der häufigen Erdrutsche an teilweise schroffen Berghängen und der Höhe eine große Herausforderung dar. Offiziell kamen bei den Bauarbeiten 810 pakistanische und 82 chinesische Arbeiter ums Leben. Seit 1986 ist die Straße auch für den Tourismus geöffnet. Auf chinesischer Seite ist er Teil der Nationalstraße G314, die anschließend von Kaschgar ostwärts nach Ürümqi führt. (Wikipedia)

Um 15:00 Uhr verlassen wir das Shangrila Hotel mit zwei Kleinbussen. Zunächst kommen wir ganz gut voran, aber bei Einbruch der Dunkelheit stehen wir an einer Stelle, wo die Straße abgerutscht ist. Mit vereinten Kräften bauen wir unter Mithilfe von Einheimischen eine Mauer und können Stunden später diese Stelle passieren. Gegen Mitternacht kehren wir in eine Gaststätte ein und bekommen dort unser verspätetes Abendessen.

18.07.1988

Fahrt auf dem Karakorum-Highway nach Islamabad

Nach der Pause um Mitternacht geht die Fahrt weiter auf dem Karakorum-Highway. Um 9:00 Uhr frühstücken wir in einem Hotel und um 13:00 Uhr bekommen wir ein Mittagessen. Um 16:00 Uhr, nach 25 Stunden Fahrt, treffen wir im Pearl-Continental Hotel in Rawalpindi ein. Müde von der anstrengenden Fahrt geht es zunächst unter die Dusche und danach zum gemütlichen Abendessen.

19.07.1988

Briefing bei der Behörde

Am Vormittag schreibe ich meine Postkarten und packe meinen Seesack für den Rückflug. Am Nachmittag müssen wir bei der Behörde zum Briefing erscheinen. Hier werden die Namen der Besteigungen festgehalten und der Begleitoffizier muss bestätigen, dass die Regeln und Vorschriften eingehalten wurden. Am Abend gibt es noch ein Abschiedsessen mit der örtlichen Agentur, bevor wir um 22 Uhr zum Flughafen fahren.

20.07.1988

Rückflug nach Frankfurt

Um 2:00 Uhr starten wir in Islamabad mit dem Ziel Karatschi, wo wir um 3:30 landen. Nach zwei Stunden Aufenthalt geht es von dort nach Istanbul und schließlich nach Frankfurt, wo wir um 13:30 Uhr landen.