Mont Dolent (3823 m) Galletgrat
03.08.2008
Geplant war der Mont Dolent bereits letztes Jahr 2007 mit der DAV-Sektion Ebingen, was aber wegen der unbeständigen Wettervorhersage nicht zustande kam. Dieses Jahr wollen wir dieses Vorhaben verwirklichen und beginnen mit der Planung der Tour. Es ist die Überschreitung des Mont Dolent über den Galletgrat vom La-Maye-Biwak angedacht. In diesem östlichen Teil der Montblanc-Gruppe war ich noch nicht unterwegs und somit ist es für mich Neuland. Die aus der Literatur bekannte Madonna Statue auf den Gipfel ist ein zusätzlicher Anreizt den Gipfel zu erreichen. Allerdings ist die Schreckensmeldung vom 24. Juli 2008 über den Absturz eines niederländischen Familienvaters mit seinen drei Söhnen auf dem Normalweg auch nicht sonderlich motivierend. Immer wieder kommt es an diesem Berg zu tödlichen Unfällen, obwohl die Normalroute über den Südost-Grat vom Bivacco Fiorio ist, als weniger schwierig eingestuft ist. Der Galletgrat ist hingegen als ziemlich schwierig bewertet und daher eine ernst zu nehmende Tour. Wir wollen die Überschreitung als Vorbereitungs- und Akklimatisationstour für den Montblanc nutzen und es bietet sich der Aufstieg über den Galletgrat an.
Der Ausgangsort ist La Fouly, ein Dorf in der Schweizer Gemeinde Orsiéres im Karton Wallis, ruhig und idyllisch. Das Dorf liegt auf 1592 m Höhe am Ende des Val Ferret und hat 81 ständige Einwohner (Stand 2008). Wir bauen dort unser Zelt auf dem schön gelegenen Campingplatz auf und beschließen den Abend mit einem Abendessen in dem idyllischen Örtchen.
04.08.2008
Ein wunderschöner Morgen ermöglicht das Frühstück auf einer Bank, nicht weit vom Standort unseres Zeltes. In aller Ruhe packen wir im Anschluss die Rucksäcke und beginnen am späten Nachmittag mit dem Aufstieg zum La-Maye-Biwak (2667 m). Der Weg führt über steile Grashänge sowie Felsabschnitte, die zum Teil mit Leitern und Stahlseilen versichert sind. Nach knapp dreistündigem schweißtreibendem Anstieg erreichen wir die futuristische Biwakschachtel, die mir bereits von Bildern bekannt ist. Es ist eine achteckige, orangefarbene Ellipse, die aussieht, als wenn sie auf Stelzen stehen würde. Im Innern ist die Biwakschachtel sehr sauber und wir brauchen uns um die kommende Nacht keine Sorgen machen. Bequeme Schlafplätze (12), warme Decken und ein Tisch mit einer Kochecke sind vorhanden. Das Wasser wird vom nahe gelegenen Gletscher geholt.
Drei weitere Bergsteiger haben bereits ihr Lagerplatz in der Biwakschachtel bezogen. Es handelt sich um einen Schweizer Bergführer mit seinen beiden Kunden. Antoine, der Bergführer erzählt uns, dass er diese Tour bereits vor etwa 10-15 Jahren gemacht hat. Er ist sich aber nicht mehr sicher, ob dieselbe Routenführung von damals noch machbar ist. Am Abend verziehen sich die restlichen Wolken und in östlicher Richtung kommt der sehr formschöne 4000er Grand Combin zum Vorschein.
Wir wollen morgen als selbstständige Seilschaften gemeinsam die Tour angehen. Die Nacht ist abgesehen von ein paar Nachtgeräuschen erholsam.
05.08.2008
Um 4 Uhr klingelt der Wecker und nach einem schnellen Frühstück verlassen wir die Biwakschachtel in Richtung Gletscher. Zunächst stolpern mit der Stirnlampe am Kopf wir noch etwas unbeholfen über die Felsen und den Dolent Gletscher. An einer Eiswand sicheren wir uns mit zwei Eisschrauben und erreichen darüber einen flacheren Gletscherabschnitt. Langsam wird es hell und wir suchen schon aus der Ferne nach einer Aufstiegsmöglichkeit durch die sehr brüchige Felswand, auf die wir zusteuern. Hier ist äußerste Vorsicht geboten, denn nahezu jeder Stein ist lose oder wackelig. Im weiteren Verlauf geht es durch Blockgelände im II und III Grad, welches wir über weite Etappen ohne Seilsicherung überwinden. Eine Absicherung ist ohnehin nur spartanisch möglich, da selbst große Steine oder Felsbrocken keine hinreichende Sicherheit bieten. Es ist einfach ein großer Schutthaufen mit einmalig schönen Ausblicken, des Es zu überwinden gilt.
Nachfolgend erreichen wir über einen formschönen Firngrat die Schlüsselstelle am Gratverlauf. Ein messerscharfer Felsgratabschnitt muss überwunden werden, der nur spärlich abgesichert werden kann. Ein quer verlaufender Riss dient hier als Trittleiste und die Gratschneide als Griff. Mit etwas flauem Gefühl in der Magengegend gehe ich große Distanzen ohne Zwischensicherungen und vertraue dabei auf meine Kletterfähigkeiten. Nach 5 Stunden Aufstieg kommen wir an eine steiler werdende Firnflanke, die mit dem durchfeuchteten Schnee zunehmend gefährlicher wird.
Der Bergführer (Antoine) erklimmt noch sehr vorsichtig einer kleinen Eiswand und sucht nach einer Möglichkeit eine große Spalte zu überwinden. Er steigt nach kurzer Zeit wieder ab und teilt uns mit, dass es aus seiner Sicht zu gefährlich ist, bei diesem nassen Schnee über eine schmale Schneebrücke zu gehen. Kaum zu glauben nach 7 h Aufstieg und 150 m unterhalb des Gipfels müssen wir umkehren. Wir schauen noch einige Zeit nach oben und können in den Nebelschwaden den Gipfel ansatzweise zu erkennen. Einen vernünftigen Durchschlupf können wir in dem ca. 55 Grad steilen Gelände allerdings nicht finden.
Die 5 h für den Aufstieg zum Gipfel, wie sie im Führer stehen, sind daher ein sehr optimistischer Wert, der nur bei optimalen Verhältnissen zu erreichen ist. Wir sind nach 7 h immer noch 150 m unterhalb des Gipfels und haben keine nennenswerten Pausen eingelegt. Uns graust es jetzt schon vor dem mühseligen Abstieg in Tal. Nachdem die Entscheidung gefallen ist, geht es jetzt zurück zur Schlüsselstelle. Um der Rückzug sicher zu gestalten, müssen wir eine Schlinge, einen Karabiner und eine Prusikschlinge opfern.
Das Blockgelände ist im Abstieg genau so unangenehm zu Kletten wie beim Aufstieg und ich bin froh, dass uns Antoine noch an die richtige Abseilstelle am Ende des Blockrates hin dirigiert. Von dort gelangen wir auf den Dolent Gletscher, auf dem noch ein Steilstück überwunden werden muss, bevor es dann zum La-Maye-Biwak (2667 m) geht. Eine Stunde benötigten wir zurück zum Biwak und machen uns jetzt zunächst ein Süppchen und steigen dann mit immer schwerer werdenden Füßen ins Tal ab! Für den Abstieg bis ins Tal benötigen wir mit Pausen nochmals 5 h.
Bei der Ankunft am Zeltplatz bin ich schon so weit dehydriert, dass ich zuerst viel Trinken muss, um wieder auf die Beine komme. Am Abend sorgt ein Raclette für den nötigen Nachschub an Kalorien.
NACHWORT
Wie überall haben sich auch am Mont Dolent die Gletscher drastisch verändert. Die Beschreibung im aktuellen Führer (herausgegeben 2006) sind nicht mit den derzeitigen Verhältnissen vor Ort identisch